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Montag, 16.05.2022

Weitere Entscheidung zum Beginn des Strafverfahrens

Nach Einlangen einer Sachverhaltsdarstellung forderte die Staatsanwaltschaft Innsbruck den Verteidiger des Angezeigten zu einer Stellungnahme zum darin geäußerten Verdacht auf. Nach Einlangen der Stellungnahme verfügte die Anklagebehörde die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Hierauf beantragte der Anzeiger die Fortführung des Verfahrens. Diesen Fortführungsantrag wies das Landesgericht Innsbruck als unzulässig zurück. Begründend führte es aus, die Staatsanwaltschaft habe die Sachverhaltsdarstellung nicht zum Anlass für Ermittlungen genommen, sondern durch das – auch keine Belehrung über Rechte als Verdächtiger oder Beschuldigter enthaltende – Ersuchen an den rechtsfreundlichen Vertreter des Angezeigten, eine Stellungnahme abzugeben, bloße Erkundigungen zur Klärung getätigt, ob ein Anfangsverdacht vorliege, und solcherart nie ein Ermittlungsverfahren geführt. Daher beziehe sich der Fortführungsantrag auf ein gar nicht in Gang gekommenes Ermittlungsverfahren.


In Stattgebung einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes stellte der Oberste Gerichtshof eine Gesetzesverletzung durch den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck fest:
Gemäß § 91 Abs 2 letzter Satz StPO stellen die bloße Nutzung von allgemein zugänglichen oder behördeninternen Informationsquellen sowie die Durchführung von Erkundigungen zur Klärung, ob ein Anfangsverdacht (§ 1 Abs 3 StPO) vorliegt, keine Ermittlung iSd § 91 Abs 1 erster Satz StPO dar.


Durch § 91 Abs 2 letzter Satz StPO soll die Führung eines Ermittlungsverfahrens bei leicht durchführbarem Ausschluss eines Anfangsverdachts vermieden werden. Zweck dieser Bestimmung ist insbesondere der Schutz einer angezeigten Person davor, ohne Anlass Objekt eines Strafverfahrens zu werden und Schutz vor öffentlicher Brandmarkung, obwohl gar kein konkreter Tatverdacht vorliegt (vgl jüngst zum Begriff der„ behördeninternen Informationsquellen“ 12 Os 92/21b [verstärkter Senat]).
Vor Beginn des Strafverfahrens können nur Erkundigungen minderer Intensität stattfinden, mit denen etwa bloße Grundlagen für eine erst in weiterer Folge stattfindende Auseinandersetzung mit dem Anzeigesachverhalt geschaffen werden sollen. Hat aber die Staatsanwaltschaft (wie hier) eine angezeigte Person direkt mit der vom Anzeiger geäußerten Verdachtslage konfrontiert und solcherart eine über die genannte Schwelle hinausgehende Aufklärungstätigkeit entfaltet, hat sie unwiderlegbar – ohne dass es daher auf die rechtliche Einschätzung der Staatsanwaltschaft oder (im Fortführungsverfahren) des Gerichts bezüglich der Intensität der Verdachtslage ankäme – ein Ermittlungsverfahren iSd § 1 Abs 2 StPO in Gang gesetzt.

Quelle: www.ogh.gv.at | OGH | 12 Os 10/22w | 28.04.2022