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Dienstag, 21.03.2023

Gewerberecht: Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung von Insolvenzverwaltern

Im vorliegenden Fall wurde über das Vermögen des Gewerbeinhabers eines Gasthauses das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Rechtsanwältin als Insolvenzverwalterin bestellt. Das Gasthaus wurde von der Insolvenzmasse weitergeführt. Aufgrund von Verstößen gegen einzuhaltende Auflagen verhängte die Gewerbebehörde über die Insolvenzverwalterin „als gewerberechtliche Geschäftsführerin der fortbetriebsberechtigten Insolvenzmasse“ mehrere Verwaltungsstrafen nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994). Die Insolvenzverwalterin brachte dagegen vor, sie habe dem bisherigen Gewerbeinhaber des Gasthauses als verantwortlich Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften aufgetragen, weshalb auch dieser für deren Einhaltung verantwortlich gewesen sei.

Eine gegen die Bestrafungen erhobene Beschwerde wurde vom zuständigen Verwaltungsgericht abgewiesen, wogegen die Insolvenzverwalterin Revision erhob.

Der VwGH setzte sich mit der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Insolvenzverwaltern im Gewerberecht betreffend die Frage, ob diese einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellen können, auseinander.

Dazu hielt der VwGH zunächst fest, Fortbetriebsberechtigte nach § 41 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 und damit Gewerbetreibende nach § 38 Abs. 5 GewO 1994 ist die Insolvenzmasse, deren Fortbetriebsrecht mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gewerbeinhabers entsteht. Darunter ist das Recht zu verstehen, einen Gewerbebetrieb – hier ein Gasthaus – auf Grund der Gewerbeberechtigung einer anderen Person fortzuführen. Der Insolvenzverwalter hat als Organ bzw. gesetzlicher Vertreter der Insolvenzmasse den Fortbetrieb ohne unnötigen Aufschub anzuzeigen. Mit dem Einlangen dieser Anzeige tritt der Insolvenzverwalter nach § 41 Abs. 5 GewO 1994 von Gesetzes wegen (ex lege) in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers ein. Eine Bestellung zum Geschäftsführer ist daher nicht erforderlich. Ausgenommen von diesem gesetzlichen Übergang sind jene Gewerbe, bei deren Ausübung ohne Geschäftsführer Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden sind (in einem solchen Fall ist von der Insolvenzmasse ein befähigter Geschäftsführer zu bestellen).

§ 370 Abs. 1 GewO 1994 sieht vor, dass mit der Anzeige der Bestellung eines Geschäftsführers die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung auf diesen übergeht. Der VwGH stellte klar, dass im Fall des Fortbetriebs durch die Insolvenzmasse die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit mit der Anzeige des Fortbetriebs und den damit verbundenen Eintritt des Insolvenzverwalters in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 GewO 1994 nach § 370 Abs. 1 GewO 1994 auf den Insolvenzverwalter übergeht. Der VwGH wies aber darauf hin, dass für den Insolvenzverwalter als zur Vertretung der Insolvenzmasse nach außen Berufenen die Möglichkeit besteht, gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1994 eine andere Person zum gewerberechtlichen Geschäftsführer zu bestellen und dadurch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit auf diese zu übertragen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist § 370 Abs. 1 GewO 1994 gegenüber der nur subsidiär geltenden Bestimmung des § 9 VStG eine Spezialnorm. Mit dem Eintritt des Insolvenzverwalters in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 41 Abs. 5 GewO 1994 trifft ihn die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften nach § 370 Abs. 1 GewO 1994. Er ist daher auch nicht gemäß § 9 Abs. 2 VStG berechtigt, einen verantwortlich Beauftragten zu bestellen und damit die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung auf diesen zu übertragen.

Im Ausgangsfall wurde mit der Anzeige des Fortbetriebs des Gewerbebetriebs die Insolvenzverwalterin gewerberechtliche Geschäftsführerin und dadurch auch nach § 370 Abs. 1 GewO 1994 verwaltungsstrafrechtlich für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich. Mangels Anwendbarkeit des § 9 VStG konnte sie auch keinen verantwortlichen Beauftragten bestellen. Die Strafen wurden daher zu Recht über sie verhängt. Der VwGH wies ihre Revision ab.

Quelle: www.vwgh.gv.at | Ra 2020/04/0075