Bestellung eines Verlassenschaftskurators trotz Einigkeit der potentiellen Erben?
Der Oberste Gerichtshof stellt klar, dass bei Vorliegen einander widerstreitender Erbantrittserklärungen auch dann ein Verlassenschaftskurator zu bestellen ist, wenn die potentiellen Erben über die vorzunehmende Vertretungshandlung einig sind.
Im Verlassenschaftsverfahren nach dem 2020 verstorbenen Erblasser gaben sowohl die Witwe als auch ein Sohn einander widersprechende Erbantrittserklärungen ab, sodass ein Verfahren über das Erbrecht (§§ 161 ff AußStrG) einzuleiten sein wird. Im Rahmen einer Tagsatzung vor dem Gerichtskommissär schlossen die Witwe und der Sohn (als „Vertreter“ des Nachlasses) mit einer Tochter ein Pflichtteilsübereinkommen unter der Bedingung der abhandlungs- und pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung ab.
Die Vorinstanzen erachteten die von der Tochter beantragte Bestellung eines Verlassenschaftskurators trotz Einigkeit der Erbansprecher für erforderlich.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Rechtsansicht.
§ 173 Abs 1 AußStrG sieht als Ausführungsbestimmung zu § 810 Abs 1 ABGB die „erforderlichenfalls“ gebotene Bestellung eines Verlassenschaftskurators in zwei unterschiedlichen Fällen vor: Erstens bei Uneinigkeit über Vertretungshandlungen (erster Fall), zweitens aber auch bei einem einzuleitenden Verfahren über das Erbrecht (zweiter Fall). Im zuletzt genannten Fall der Uneinigkeit der Beteiligten über das Erbrecht ist nämlich von einem nicht hinreichenden Erbrechtsausweis auszugehen.
Wenn Vertretungshandlungen im Zusammenhang mit einem Nachlass anstehen, sind schon aus Gründen der Rechtssicherheit klare Vertretungsverhältnisse zu schaffen. § 173 Abs 1 AußStrG stellt im Fall eines einzuleitenden Verfahrens über das Erbrecht (zweiter Fall) nicht darauf ab, ob in Bezug auf anstehende Vertretungsmaßnahmen Uneinigkeit besteht. Im Interesse einer – von den Gesetzesmaterialien betonten – einfachen, klaren und auch dem Verkehrsschutz dienenden Regelung ist daher auch dann die Bestellung eines Verlassenschaftskurators erforderlich, wenn sich die Erbansprecher bei einzuleitendem Verfahren über das Erbrecht in Bezug auf eine anstehende Vertretungshandlung einig sind.
Quelle: www.ogh.gv.at | OGH | 2 Ob 24/24d