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Dienstag, 27.02.2024

Abmahnungen bei Besitzstörungen als Geschäftsmodell?

Zur Rechtswidrigkeit eines gewerbsmäßigen Abmahnwesens bei Besitzstörungen

Die Antragsgegnerin verfügt über Gewerbeberechtigungen für das Sicherheitsgewerbe und für Informationstechnik. Sie bietet im geschäftlichen Verkehr Abmahnungen bei Besitzstörungen an. Der Kunde kann eine von ihm als solche erachtete Besitzstörungshandlung online melden und die Antragsgegnerin beauftragen. Die Antragsgegnerin bietet dem Kunden an, dass für ihn bei der Behörde die Halterdaten ermittelt und dem Falschparker eine Unterlassungserklärung übermittelt wird, in der sich dieser zur Abwendung einer Klage zur Unterlassung und Zahlung einer Pauschale von 399 EUR auf das Konto der Antragsgegnerin verpflichtet, wobei der Kunde 50% der Pauschale erhält. Es wird betont, dass die Antragsgegnerin ausschließlich auf Meldung und Beauftragung von Besitzstörungen durch Privatpersonen oder Unternehmen tätig wird und in der Folge ganz gezielt den Besitz von „Herrn und Frau Österreicher“ schützt.

Die Antragstellerin ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft und begehrt, der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im Auftrag Dritter Aufforderungsschreiben an (potenzielle) Besitzstörer zu verschicken, mit denen diese ua zur Abgabe von Unterlassungserklärungen oder zur Zahlung von Geldbeträgen aufgefordert werden.

Die Antragsgegnerin wandte ein, sie sei Mitbesitzerin der Parkplätze, gegen deren Störung sie vorgehe, und mache daher eigene Ansprüche geltend. Grundlage ihrer Tätigkeit sei der von den Liegenschaftsbesitzern unterschriebene Bewachungsauftrag, durch den die Antragsgegnerin Mitbesitzerin des Liegenschaftsbesitzes werde, der bewacht werden soll.

Die Vorinstanzen wiesen den Antrag mit der wesentlichen Begründung ab, dass die Antragsgegnerin eigene Ansprüche geltend mache.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge und erließ die einstweilige Verfügung.

Die Entscheidung hält fest, dass nach der Rechtsanwaltsordnung (RAO) das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten umfasst. Die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung ist den Rechtsanwälten vorbehalten. § 8 RAO stellt auf das typische Berufsbild des Rechtsanwalts und die traditionellerweise von Rechtsanwälten ausgeübten Tätigkeiten ab. Für den Rechtsanwaltsberuf ist typisch, dass er die rechtliche Beratung und Vertretung von Klienten vor Gerichten in dem weitesten Ausmaß und Umfang umfasst, der denkbar ist. Für einen Eingriff in den Vertretungsvorbehalt genügt es, dass einzelne oder auch nur eine einzige Tätigkeit aus dem Gesamtspektrum der den Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeiten gewerbsmäßig ausgeübt wird.

Im Anlassfall bietet die Antragsgegnerin im geschäftlichen Verkehr Abmahnungen bei Besitzstörungen an. Sie wirbt damit, dass sie nach der Meldung einer Besitzstörung „für die Kunden übernimmt“. Das korrespondiert mit den zentralen Werbebotschaften der Antragsgegnerin „Zupf di, Wir schützen Besitz!“ Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin zielt darauf ab, die Interessen des besitzenden Kunden gegenüber dem Besitzstörer zu vertreten und die sich daraus ergebenden zivilrechtlichen Ansprüche des Kunden außerprozessual durchzusetzen.

Das Geschäftsmodell, das Personen gewerbsmäßig bei einer außergerichtlichen Rechtsdurchsetzung unterstützt, greift unlauter in den Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte ein.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin bei der Durchsetzung von Besitzschutzrechten ihrer Kunden gegenüber den in Anspruch genommenen Dritten nicht im Namen der Kunden auftritt und sich von den Kunden „Mitbesitz“ einräumen lässt. Abgesehen von der evidenten sachenrechtlichen Unwirksamkeit der Einräumung eines Mit- bzw Rechtsbesitzes an die Antragsgegnerin als Bewacherin der Liegenschaft dient die Konstruktion des bekämpften Geschäftsmodells primär (nur) dazu, um nach außen zu verschleiern, dass die Interessen der von der Antragsgegnerin betreuten Kunden durchgesetzt werden sollen.

Quelle: www.ogh.gv.at | OGH | 4 Ob 5/24z