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Freitag, 26.05.2023

Wiener Bauordnung: Zum Schutz von Gebäuden aus der Gründerzeit

Im vorliegenden Fall beantragte im April 2020 ein Unternehmen beim Magistrat der Stadt Wien die Bewilligung für den Abriss eines Gebäudes im 21. Bezirk. Mit Bescheid vom September 2020 versagte der Magistrat den Abriss des Gebäudes. Das vor dem zweiten Weltkrieg errichtete Haus stamme aus der Gründerzeit. Aufgrund von Kriegsschäden wurde das Gebäude 1952 wiederhergestellt, wobei dabei die ursprüngliche charakteristisch-gründerzeitliche Fassade gar nicht bzw. nur vereinfacht wiederhergestellt worden sei. Der Magistrat ging dennoch davon aus, dass am Erhalt des Gebäudes ein öffentliches Interesse bestehe, weil das Haus mit den angrenzenden (Gründerzeit-)Häusern eine schützenswerte Wirkung auf das örtliche Stadtbild ausübe.

as Unternehmen erhob dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde jedoch ab und bejahte wie der Magistrat das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Gründerzeithauses.

Schließlich erhob das Unternehmen eine Revision an den VwGH.

Der VwGH setzte sich mit der Frage auseinander, ob ein vor dem 1. Jänner 1945 errichtetes Haus nach der Wiener Bauordnung auch noch dann schützenswert ist, wenn es nach 1945 seine charakteristisch-gründerzeitliche äußere Erscheinung zum Teil verloren hat.

Dazu hielt er fest, dass nach der anzuwendenden Wiener Bauordnung ein vor dem 1. Jänner 1945 errichtetes Gebäude u.a. nur dann abgerissen werden darf, wenn an dessen Erhaltung infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht.

Bei der Prüfung der Wirkung auf das örtliche Stadtbild ist nicht auf das historische, sondern auf das aktuelle Erscheinungsbild zum Zeitpunkt des Verfahrens abzustellen, so der VwGH weiter. Dadurch können auch Änderungen am Gebäude – wie hier – berücksichtigt werden. Gebäude können daher auch nach Veränderungen noch schützenswert sein.

Eine isolierte Betrachtung des abzureißenden Gebäudes alleine reicht dabei nicht aus. Es muss daher ebenso die mittelbare Wirkung des Gebäudes auf seine Umgebung berücksichtigt werden.

Schließlich hielt der VwGH fest, dass es auch nicht darauf ankomme, ob das anstelle des abgerissenen Gebäudes projektierte/geplante Bauwerk eine positive Wirkung auf das örtliche Stadtbild ausübe. In einem Verfahren über die Bewilligung eines Abrisses ist bloß dieser und dessen Auswirkungen zu prüfen. Die Prüfung der Frage, ob ein Neubau in das örtliche Stadtbild passt, ist Teil eines späteren Baubewilligungsverfahrens. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte das öffentliche Interesse am Erhalt des Gebäudes, insbesondere als Teil des Stadtbilds. Im Übrigen hob der VwGH die Entscheidung dennoch aufgrund eines relevanten Verfahrensfehlers auf.

Quelle: www.vwgh.gv.at Ra 2021/05/0121