Auch Anträge zu Untersuchungsausschuss eines der Themen der Beratungen ab 19. September
Der Verfassungsgerichtshof tritt am Montag, 19. September, zu Beratungen zusammen, die für drei Wochen anberaumt sind. Auf der Tagesordnung stehen ca. 350 Anträge und Beschwerden.
Steht ein Fall auf der Tagesordnung, bedeutet dies nicht automatisch, dass darüber in diesen Tagen entschieden wird. Die Entscheidungen des VfGH werden nach Ende der Beratungen den Verfahrensparteien zugestellt. Erst danach kann der VfGH darüber informieren.
Burgenland: Festlegung des Ärzte-Not- und Bereitschaftsdienstes durch Ärztekammern?
Nach dem Ärztegesetz 1998 obliegt es den Ärztekammern, einen ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst zu organisieren. Die Burgenländische Landesregierung hält diese Zuständigkeitsregelung für verfassungswidrig. Die angefochtenen Bestimmungen würden nämlich die Grenzen zulässiger Selbstverwaltung der Ärztekammern überschreiten: Mit ihnen werden, so die Landesregierung, den Ärztekammern Angelegenheiten zugewiesen, die nicht im überwiegenden Interesse der Ärzte, sondern in mindestens gleicher Intensität im allgemeinen Interesse der krankenversicherten Bevölkerung an einer umfassenden, qualitätsvollen Gesundheitsversorgung liegen.
Datenschutz: Bundesverwaltungsgericht hegt gegen Medienprivileg Bedenken
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beantragt, eine Bestimmung des Datenschutzgesetzes 2000 teilweise als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmung (§ 9 Abs. 1) sieht vor, dass das österreichische Datenschutzgesetz 2000 sowie näher bezeichnete Teile der EU-Datenschutz-Grundverordnung auf journalistische Datenverarbeitungen nicht anzuwenden sind.
Das Bundesverwaltungsgericht wendet sich an den VfGH, da ihm Beschwerden gegen Entscheidungen der Datenschutzbehörde vorliegen. Die Datenschutzbehörde hatte zuvor an sie gerichtete Beschwerden gegen die Veröffentlichung personenbezogener Daten durch Medienunternehmen „wegen Unzuständigkeit“ zurückgewiesen.
Das BVwG erachtet die gänzliche Ausnahme von Medienunternehmen von den Garantien des Datenschutzrechts als unverhältnismäßig; das Gericht sieht darin unter anderem einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz.
Verletzt eine für die Kreditnehmer unentgeltliche Stundung Eigentumsrecht von Banken?
403 österreichische Banken wenden sich in einem gemeinsamen Antrag gegen eine Bestimmung im 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz (§ 2 Abs. 6 zweiter Satz). Diese Bestimmung sah für gewisse Verbraucherkreditverträge vor, dass Rück- oder Zinszahlungen gestundet werden, wenn der Kreditnehmer pandemiebedingt Einkommensverluste hat, die solche Zahlungen unzumutbar machen. Ein zunächst dreimonatiges Moratorium ab April 2020 wurde auf sieben und schließlich auf insgesamt zehn Monate verlängert. Der OGH entschied im Dezember 2021, dass die Kreditgeber für die Dauer des Moratoriums auch keine Sollzinsen verrechnen dürfen; die Kreditverträge mussten also unentgeltlich verlängert werden.
Die antragstellenden Banken sehen darin zwei Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Regelung sei auch unverhältnismäßig und verletze das Grundrecht auf Eigentum.
Zwingende Untersuchungshaft bei schweren Straftaten
Ein Antrag an den VfGH in Bezug auf die Strafprozessordnung wurde von einem Mann eingebracht, gegen den wegen des Verdachts terroristischer Verbrechen ermittelt wird und der sich seit November 2020 in Untersuchungshaft befindet.
Die Strafprozessordnung sieht vor, dass Untersuchungshaft – neben weiteren Voraussetzungen – nur verhängt werden darf, wenn bestimmte Haftgründe (Fluchtgefahr, Tatbegehungs- oder Wiederholungsgefahr, Verdunkelungsgefahr) vorliegen. Geht es aber um ein Verbrechen, das mit mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird, ist zwingend die Untersuchungshaft zu verhängen, außer wenn alle Haftgründe (Fluchtgefahr, Tatbegehungs- oder Wiederholungsgefahr, Verdunkelungsgefahr) ausgeschlossen werden können (§ 173 Abs. 6 StPO).
Der Antragsteller sieht in dieser Bestimmung einen Verstoß gegen das Grundrecht auf persönliche Freiheit. Nach dem Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit dürfe die Freiheit einem Menschen nur entzogen werden, wenn einer der in diesem Gesetz genannten Gründe vorliege. Im Fall des § 173 Abs. 6 StPO, so bringt der Mann vor, ist Untersuchungshaft aber auch ohne tatsächliches Vorliegen eines solchen Grundes zu verhängen. Es sei mit den grundrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar, dass Untersuchungshaft allein schon dann zu verhängen sei, wenn nicht jeder Haftgrund ausgeschlossen werden könne.
Benachteiligung von staatsnahen Unternehmen bei COVID-19-Hilfen gesetzwidrig?
Das Bundesgesetz über die Errichtung einer Abbaubeteiligungs AG des Bundes (ABBAG) sieht vor, dass zugunsten von Unternehmen, die pandemiebedingt in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, „finanzielle Maßnahmen“ ergriffen werden können. Zu diesem Zweck stattete der Bund die COVID-19 Finanzierungsagentur GmbH (COFAG) so aus, dass sie Finanzhilfen bis zu einem Höchstbetrag von 19 Mrd. Euro gewähren kann.
Dabei ist die COFAG an Richtlinien gebunden, die der Finanzminister im Einvernehmen mit dem Vizekanzler per Verordnung festlegt. Nach einer dieser Richtlinien können Zuschüsse zur Deckung von Fixkosten gewährt werden. Ausgeschlossen von diesen Zuschüssen sind jedoch u.a. „Einrichtungen“, die entweder im Alleineigentum von Gebietskörperschaften stehen oder mehrheitlich im Eigentum von Gebietskörperschaften stehen und einen Eigendeckungsgrad von weniger als 75 % haben.
Die Wiener Lokalbahnen Verkehrsdienste GmbH (WLV) – sie bietet etwa Transferfahrten an und betreibt einige Buslinien – steht mittelbar im alleinigen Eigentum der Stadt Wien. Sie ist der Ansicht, dass diese Bestimmung vom Gesetz nicht gedeckt sei, und beantragt daher, diese Ausnahmeregelung als gesetzwidrig aufzuheben. Zudem sei es sachlich nicht gerechtfertigt, staatsnahe Unternehmen bei der Gewährung von COVID-19-Hilfen zu benachteiligen.
ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss: Weitere Verlangen der ÖVP-Fraktion
Mitglieder der ÖVP-Fraktion im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss wenden sich gegen die Weigerung dreier Minister, dem U-Ausschuss Unterlagen zu Stellenbesetzungen und öffentlichen Aufträgen vorzulegen. Die ÖVP-Ausschussmitglieder hatten solche Unterlagen vom Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS), von der Bundesministerin für Klimaschutz (BMK) und vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) gefordert. Sie beantragen beim VfGH die Feststellung, dass die Weigerung dieser – den Grünen angehörenden – Minister rechtswidrig ist und sie verpflichtet sind, die Unterlagen unverzüglich dem U-Ausschuss zu übermitteln.
Die Minister lehnen die Vorlage mit der Begründung ab, dass diese Unterlagen, die den Wirkungsbereich von nicht ÖVP-geführten Bundesministerien betreffen, keine abstrakte Relevanz für den Gegenstand der Untersuchung haben können.
Prüfung des Amtssitzabkommens mit der OPEC
Ein ehemaliger Mitarbeiter der Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC), der sich nun an den VfGH wendet, hat die OPEC vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien (ASG) auf Nachzahlung von Gehalt geklagt. Das ASG wies die Klage zurück, weil die OPEC nach Art. 9 des Amtssitzabkommens in Österreich „von jeglicher Jurisdiktion befreit“ sei; auch habe die OPEC nicht erklärt, auf ihre Immunität zu verzichten.
In seinem Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit des Amtssitzabkommens sieht sich der ehemalige OPEC-Mitarbeiter in seinem Grundrecht auf Zugang zu einem Gericht verletzt. Dieses Grundrecht sei deshalb verletzt, weil die OPEC durch das Abkommen von der österreichischen Gerichtsbarkeit ausgenommen sei, obwohl die Angestellten der OPEC über keine alternative Rechtsschutzmöglichkeit verfügten.
Quelle: www.vfgh.gv.at