KarriereInsights und Impulse für die Rechtsabteilung 2.0 mit der Juristin Mag. Stefanie Thuiner
Heute dürfen wir die Unternehmensjuristin Mag. Stefanie Thuiner zum Interview begrüßen. Sie berichtet von ihrer spannenden beruflichen Reise, die sie von der Arbeit in einer renommierten Wirtschaftskanzlei bis hin zur Rolle als Unternehmensjuristin in verschiedenen nationalen und internationalen Unternehmen geführt hat, und teilt ihre zukunftsweisenden Ansichten über die Evolution und Bedeutung der Rechtsabteilung 2.0.
Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den ein oder anderen Karrieretipp.
Wollten Sie immer schon in der Rechtsbranche arbeiten oder hatten Sie auch andere Berufsziele?
Meine Familie hat keinerlei Anknüpfungspunkte zur Rechtsbranche. Vielmehr sind meine Eltern im Hotel-Marketing tätig. Dennoch wusste ich bereits von Kindheitsbeinen an, dass ich Rechtswissenschaften studieren werde. Ich hatte zwar absolut keine Vorstellung davon, was der Beruf mit sich bringt, aber der Wunsch hat sich über die Jahre immer mehr verstärkt und mir wurde häufig meine Diskussionsfähigkeit bestätigt. Den Traum vom Jus-Studium habe ich mir dann nach der Matura erfüllt, obwohl ich kurzerhand auch überlegt hatte, ein anderes Studium zu beginnen. Ein glücklicher Zufall während eines Sommerpraktikums hat mich dann dazu bewegt, mein Ziel zu verfolgen und prompt hatte ich mich dann für Rechtswissenschaften inskribiert. Aus heutiger Sicht war das die absolut richtige Entscheidung!
Sie waren zuerst als Konzipientin in einer Top 10 Wirtschaftskanzlei tätig und haben anschließend als In-House-Juristin in diversen nationalen und internationalen Unternehmen gearbeitet. Wie unterscheidet sich die Arbeit in einer Kanzlei von der Tätigkeit als Juristin in einem Unternehmen?
In der Kanzlei war ich hauptsächlich mit der Betreuung von Klienten bei Gericht tätig. Ich begleitete unterschiedlichste Fälle von Arbeitsprozessen, Scheidungen, Bau- und Strafverfahren und vieles mehr und schöpfte auch immer wieder die Instanzenzüge aus. Daneben erhielt ich auch einen umfassenden Einblick in gesellschaftsrechtliche und grundbücherliche Angelegenheiten und erlernte das Recherchieren und Aufbereiten von komplexen Rechtsthemen für den Mandanten von der Pike auf. Ich bin dankbar dafür, eine umfassende Ausbildung bei SCWP Schindhelm insbesondere durch meine Mentorin Dr. Birgit Leb genossen zu haben.
Nach einigen Jahren hatte ich jedoch den Eindruck, dass sich die anwaltliche Tätigkeit häufig darum dreht, als Feuerwehr zu agieren und Sachverhalte im Nachgang aufzuräumen, wobei dies natürlich maßgeblich von der Mandantenlandschaft und den jeweiligen Aufträgen abhängig ist. Einen Schlüsselmoment hatte ich dann bei der Beratung eines langjährigen Mandanten bei der Erstellung von Daily-Business-Verträgen. Ich erkannte, dass ich mangels Kenntnis des Produktspektrums – ohne einen zeit- und kostenintensiven Austausch – kein zufriedenstellendes Ergebnis für den Klienten liefern kann. Diese Erfahrung hat mir dann den Schritt ins Unternehmen eröffnet.
Zurückkommend auf die Frage: Durch die Einbindung des Unternehmensjuristen im Unternehmen ist die Problemerkennung und Rechtsberatung meiner Erfahrung nach zielgerichteter möglich, da ein tiefgreifendes Verständnis für das Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen vorhanden ist und auch die Ansprechpartner greifbar sind. Bestenfalls versteht sich der Unternehmensjurist als Sparringspartner des Unternehmens, der proaktiv Herausforderungen angeht und auch kreative Lösungen für komplexe Probleme schafft. Die Rechtsabteilung bietet auch die Möglichkeit über die reine Rechtsberatung hinaus tätig zu werden und betriebswirtschaftlich zu denken, Standards zu entwickeln, Prozesse zu optimieren und Wachstum zu fördern. Das ist für mich ein großer Motivator in meiner täglichen Arbeit.
Was verstehen Sie unter Rechtsabteilung 2.0?
Rechtsabteilungen waren es lange Zeit gewohnt, reaktiv und im Auftrag der Fachteilungen zu arbeiten sowie komplexe Rechtsfragen an Externe auszulagern. Sie haben sich weniger als Service Unit mit eigenem Purpose verstanden. Dieses Bild hat sich mittlerweile schon sehr gewandelt und vielen Rechtsabteilungen ist bewusst, dass sie nur durch Symbiose mit dem Business einen Mehrwert schaffen. Dennoch ist der Grad der Digitalisierung nach wie vor noch nicht am Zenit angekommen, obgleich dies Teil jeder Rechtsabteilungsstrategie sein sollte. Umfragen in meinem Netzwerk haben ergeben, dass zwar 59 % der Rechtsabteilungen auf E-Signature-Lösungen setzen und auch bereits knapp die Hälfte ein Vertragsmanagement-Tool nutzen, allerdings greifen erst 18 % auf einen Vertragsgenerator zurück. Ähnlich gestaltet es sich meiner Erfahrung nach mit dem Wissensmanagement und der Standardisierung von repetitiven Aufgaben. Es herrscht oftmals ein Henne-Ei-Problem. Die Rechtsabteilung ist mit einer Flut an Anfragen beschäftigt und kann sich nicht auf die High-Risk-Themen im Unternehmen fokussieren bzw. muss dies mit viel Fleiß ausgleichen.
Die Rechtsabteilung 2.0 setzt auf Effektivität und Effizienz (sogenannte „operative Exzellenz“) und professionalisiert dadurch den Service. Eine Self-Service-Culture, Design Thinking, Legal Tech spielen ebenso eine Rolle wie auch die Performancemessung über Key Performance Indicators oder Innovationsprojekte wie Do-it-yourself-Legal Tech oder Gamification. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Meine Praxiswissen rund um die Transformation der Rechtsabteilung stelle ich in einem demnächst erscheinenden Handbuch für die Rechtsabteilung vor.
Welche Eigenschaften braucht man, um als Unternehmensjuristin erfolgreich zu sein?
Anforderungen unterscheiden sich je nach Unternehmen und nach Position. Unternehmensjurist ist nicht gleich Unternehmensjurist. Ein alteingesessenes Maschinenbauunternehmen mit einigen Auslandsstandorten hat andere Herausforderungen als ein stark wachsendes IT-Unternehmen mit einer großen Vertriebsmannschaft. Zudem ist es auch stark von der Rolle abhängig. Ein Generalist benötigt andere Fähigkeiten und Kompetenzen als ein Spezialist für ein bestimmtes Rechtsgebiet (wie z.B. Markenrecht, Datenschutz, Compliance etc.).
Doch jede Unternehmensjuristenstelle hat gemein, dass ein Interesse daran bestehen sollte, das Unternehmen, die Geschäftsmodelle und die Abläufe zu verstehen, als Teil des Teams zu agieren und eine Lösungsorientiertheit an den Tag zu legen. Weitere Voraussetzungen sind Selbstorganisation, Pragmatismus und Kommunikationsfähigkeit. Im Endeffekt kommt es darauf an, die Leistung – wie auch die externe Kanzlei – intern zu verkaufen.
Sie sind auf LinkedIn aktiv und präsent, warum sollten nicht nur selbständige Anwält:innen eine LinkedIn Präsenz pflegen?
LinkedIn ist nicht nur eine Verkaufsplattform. Es geht ebenso um den Austausch mit der eigenen Community. Die Vernetzung mit anderen aus der Rechtsbranche hilft mir persönlich dabei, einen neuen Blickwinkel auf Themen zu erlangen und innovative Methodiken sowie Ansätze auszuprobieren, die bereits eine Kollegin oder ein Kollege erfolgreich erprobt hat. Aktuell ist der Rechtsmarkt aufgrund der Digitalisierungswelle – auch aufgrund des zunehmenden Einsatzes von künstlicher Intelligenz – in Bewegung. Dies erfordert von uns Unternehmensjuristen ein Erkennen von Trends, aber auch ein Abwägen von Chancen und Folgen, die mit diversen Neuerungen verbunden sind. Es ist beispielsweise die Entscheidung zu treffen, ob die Einführungen eines innovativen und kostenintensiven Legal Tech Tools (z.B. Contract Lifecycle Management oder KI basierte Vertragsprüfung) zum aktuellen Zeitpunkt im Unternehmen zielführend ist, oder ob Effizienzgewinne auch durch einfachere und kostengünstigere Lösungen geschaffen werden können. Nur durch den Austausch mit Gleichgesinnten kann ein umfassendes Bild entstehen. Zudem nutze ich LinkedIn auch für den Ausbau des Beratungsnetzwerkes und habe bereits sehr gute Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen aus der Anwaltschaft geknüpft, die mich mit Rat und Tat unterstützen.
Für mich ist LinkedIn ein absoluter Game Changer, da mir auch schon viele Türen – wie etwa Podcast-Aufnahmen, Fachartikel in renommierten Zeitschriften und Speaker-Auftritte wie im Sommer in Amsterdam – geöffnet wurden.
Haben Sie Tipps für Studienanfänger bzw. auch Berufsanwärter, die eine Karriere in der Rechtsabteilung eines Unternehmens anstreben?
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich die Empfehlung geben, zunächst eine Ausbildung in einer Kanzlei für ein oder zwei Jahre zu genießen. Das Rüstzeug, das in dieser Zeit erlernt wird, schafft den Unterbau für die weitere Tätigkeit im Unternehmen. Wenn doch direkt der Einstieg in ein Unternehmen erfolgen soll, dann sollten nicht nur die juristischen Fähigkeiten in den jeweiligen Rechtsgebieten ausgebaut werden, sondern auch gezielt an den Fertigkeiten rund um Vertragserstellung und Verhandlungen gearbeitet werden. Leider nehmen diese Themen im Curriculum – anders als in anderen Ländern wie USA oder UK – nur wenig Platz ein.
On top sind alle Berufseinsteiger gut damit beraten, sich mit neuen Berufsfeldern wie die des Legal Operation Managers oder Legal Designers auseinanderzusetzen. Die Zukunft in vielen Rechtsabteilungen wird nicht mehr nur auf der klassischen Rechtsberatung liegen.
Generell habe ich bei meiner In-House-Karriere so gehalten, dass ich verschiedene Branchen und Unternehmensgrößen ausprobiert habe. Gestartet habe ich bei einem mittelständischen Betrieb mit drei Auslandsstandorten im Bereich Hochleistungsautomation, danach bin ich zum Weltkonzern Red Bull ins HQ gewechselt und mittlerweile baue ich die Rechtsabteilung in einem Logistik-Scaleup mit einem EUR 75 Mio. Investment auf. Die In-House-Welt ist bunt.