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Mittwoch, 15.02.2023

Interview mit Univ.-Prof. MMag. Dr. Paul Gragl

Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den einen oder anderen Karrieretipp.

Heute dürfen wir Univ.-Prof. MMag. Dr. Paul Gragl zum Interview begrüßen. Er ist als Professor für Europarecht tätig und seine Forschungsschwerpunkte und -interessen liegen im Verhältnis von Rechtsordnungen, dem Grund- und Menschenrechtsschutz und den theoretischen bzw. philosophischen Grundlagen des Europa- und Völkerrechts.


Vor dem Beginn des Studiums der Rechtswissenschaften haben Sie bereits Philosophie studiert – was waren Ihre Beweggründe für das Jusstudium?

Ich habe die Rechtswissenschaften damals als wichtige und sinnvolle Ergänzung zu meinem laufenden Philosophiestudium gesehen, als quasi-„Brotberuf“. Das hat sich auch bewahrheitet, obwohl ich auf der Universität geblieben bin: Rechtswissenschaften und Philosophie gehen Hand in Hand.

Hatten Sie bereits während des Doktoratsstudiums der Rechtswissenschaften das Karriereziel Universitätsprofessor?

Vor dem Doktoratsstudium hatte ich dieses Ziel noch nicht; es hat sich tatsächlich währenddessen entwickelt, als ich „Uniluft“ auf der anderen Seite als Assistent schnuppern und meine ersten Erfahrungen in Lehre und Forschung machen durfte.

Was ist das Beste an Ihrem Beruf?

Dass ich mich jeden Tag weiterbilden darf.

Sie haben auch schon Lehrerfahrung als Lecturer und Senior Lecturer in Law an der City University in London und an der Queen Mary gesammelt – wie kam es dazu und welche Erfahrungen waren besonders prägend?

Die universitäre Arbeitsplatzsituation in Österreich war damals und ist auch heute noch für junge Menschen nicht die beste, daher wusste ich, dass ich nur durch Auslandserfahrung eine Professur in Österreich bekommen konnte. England erschien mir aus persönlichen Gründen, der Sprache und dem Prestige das naheliegendste Ziel auf dem Weg dorthin. Besonders prägend war dort, gerade in London, die unschlagbare Internationalität: Man trifft Kolleg:innen und Studierende aus aller Welt und kann seinen Horizont jeden Tag erweitern.

Wie und zu welchem Zeitpunkt haben Sie Ihre Fachrichtung bzw. Ihr juristisches Fachgebiet gefunden? Welche Tipps können Sie Jusstudierenden und Berufseinsteiger: innen geben, die Ihr „Steckenpferd“ erst finden müssen bzw. wollen?

Die „internationalen“ Fächer Völker- und Europarecht bzw. die Rechtsphilosophie haben mich von Anfang an fasziniert (dieses Interesse habe ich sicherlich schon zum Studium mitgebracht). Als Tipp kann ich den jungen Studierenden nur mitgeben, dass sie – wenn sie ihr juristisches Steckenpferd noch nicht gefunden haben – dieses oft aus der Gesamtschau des Rechtssystems entdecken werden. Das dauert manchmal. Ich nenne das immer den juristischen „Aha-Effekt“, wenn man erkennt, dass das Rechtssystem durchaus logisch aufgebaut ist und die einzelnen Fächer nicht in Isolation voneinander gesehen werden können.

Haben Sie juristische Lerntipps für Jusstudierende und Konzipient: innen?

Oftmals ist leider das Sitzfleisch das Entscheidende. Nein, Scherz beiseite; natürlich müssen wir in den Rechtswissenschaften sehr viel auswendig lernen, aber der wesentliche Punkt ist das bereits angesprochene Gesamtverständnis, das sich nur nach und nach entwickelt. Vielleicht sind damit Ausdauer und Geduld die wichtigsten Eigenschaften, die man mitbringen muss.

Was ärgert Sie am aktuellen Rechtssystem?

Ich kann hier nur für die internationalen Fächer sprechen: Sowohl im Völker- als auch im Unionsrecht ärgern mich die oftmals fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten, welche durch nationale Einzelinteressen und politische Schrebergärtnerei offen zu Tage treten.

Inwiefern wird LegalTech die Rechtsbranche verändern?

Das ist per se zwar keine LegalTech, aber in unserer universitären Branche werden wir sehr stark auf künstliche Intelligenzen wie ChatGPT achten müssen – vor allem, wenn wir hier plötzlich maschinell verfasste Seminararbeiten vorgesetzt bekommen. Vielleicht geht der Trend damit wieder zurück zu mündlichen Prüfungen.

Steckbrief: Persönliche Fragen an Univ.-Prof. MMag. Dr. Paul Gragl

Wo und wie tanken Sie Energie?
Mit meiner Familie, meinen Freunden, beim Sport, bei der nicht-juristischen Lektüre, bei der Astronomie und Himmelsbeobachtung.

Angenommen es gibt keine Juristen mehr. Welchen Beruf – weit ab von einer juristischen Tätigkeit – hätten Sie dann?
Philosoph oder Romanschriftsteller.

Was sind Ihre wichtigsten Werte?
Menschlichkeit, gegenseitiges Verständnis und Toleranz sowie Weltoffenheit.

Ihr Lieblingszitat?
Sapere aude! (Horaz und Immanuel Kant, „Wage zu wissen“)