Interview mit Therese Frank (Rechtsanwältin, Mag.iur., LLM)
Heute dürfen wir die Rechtsanwältin, Feministin und Yogastudio Inhaberin Therese Frank zum Interview begrüßen. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Versicherungsrecht, Prozessführung, und Social Media Recht. Weiters gibt Sie via Instagram Einblicke in das Leben einer Rechtsanwältin.
Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den einen oder anderen Karrieretipp.
Was waren deine Beweggründe für das Jusstudium?
Ich wusste schon immer, dass ich Anwältin werden will und habe dann das Jus-Studium angefangen. Simple as that!
Nach 10 Jahren in der Großkanzlei hast du als junge Mutter den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Mit welchen Herausforderungen warst du konfrontiert und welche Tipps möchtest du Kanzleigründer:innen mit auf den Weg geben?
Nach so vielen Jahren in einer Großkanzlei war die Selbstständigkeit natürlich eine komplett andere Welt. Man startet quasi von 0 weg. Ohne Mandant:innen und Plan aber dafür mit sehr vielen Kosten.
Der erste große Schritt war einmal zu lernen, alles selbst zu machen. Als Angestellte hat man da den Vorteil, nur die juristischen Arbeiten machen zu müssen, ohne sich um die ganze Logistik dahinter kümmern zu müssen. Erstmal selbstständig, wurde ich wirklich ins kalte Wasser geworfen. Wie bin ich damit umgegangen? Learning by doing. Und ich habe versucht mir durch meine Existenzängste nicht jeden Tag versauen zu lassen.
Und ich habe mir ein Netzwerk aufgebaut. Ein gutes Netzwerk ist essenziell, unabhängig davon, ob du als Selbstständige oder Angestellte arbeitest. Und auch das musst du erst lernen. Auf eine Veranstaltung zu gehen und dort mit fremden Leuten zu sprechen, fordert Überwindung. Aber je öfter du es machst, desto besser wirst du darin. Wir Österreicher:innen tendieren bei Veranstaltungen ja gerne dazu, nur mit den Leuten zu reden die wir schon kennen (lacht).
Ich habe mit 3 weiteren Unternehmer:innen das invite only Business Netzwerk „Gelbe Elefanten“ gegründet. Hier vernetzen wir Unternehmer:innen und Führungskräfte aus den unterschiedlichsten Branchen. 2 unserer Grundregeln: wir sind alle per Du und niemand verlässt eine unserer Veranstaltungen ohne mindestens 3 neue Kontakte.
Hat sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Kanzleiwelt bzw. Rechtsbranche bereits gebessert?
Nicht wirklich. In unserem Stand ist immer noch das absurde Ideal à la „wer mehr arbeitet ist mehr wert“ vorherrschend. Das führt dann zu extremen Arbeitszeiten und 60-80 Wochenstunden, die oft auch nur aus Zeitabsitzen bestehen.
Dieses Ideal ist veraltet, trifft nicht den Zeitgeist und ist definitiv eine Hürde dabei, unseren Job für Anwält:innen mit Familien oder anderen Interessen als Schriftsätzen attraktiver zu machen.
Aber ich bin überzeugt, dass sich in den nächsten 10 Jahren viel tun wird in dieser Hinsicht.
Du hast mit deinem Antrag bei der RAK Wien das Logo auf „Die Wiener Rechtsanwältinnen & Rechtsanwälte“ zu ändern großes Engagement bewiesen. Wie war die Unterstützung durch die Kolleg:innen aus der Anwaltei?
Die Unterstützung war enorm, mehr als wir am Anfang dieses Projekts erwartet haben. Statt der 98 benötigten Stimmen erhielten wir ca 260 Unterstützungserklärungen. Ich habe gemerkt, dass dieses Thema offenbar nicht nur mir wichtig ist. Es ist Zeit für Veränderung. Das Verhältnis zwischen den abgegeben Unterstützungserklärungen männlicher und weiblicher Kolleg:innen war in etwa 50/50. Dies hat gezeigt, dass es sich dabei nicht um ein einseitiges Anliegen handelt, sondern sehr wohl die gesamte Branche betrifft und zum Tätigwerden bewegt. Die nötige 2/3-Mehrheit wurde leider nicht erreicht. Jedoch hoffe ich, dass die 59% der Pro-Stimmen in Zukunft nicht mehr ignoriert werden.
Die Frauenquoten an den juridischen Fakultäten liegen meist über 50 Prozent. Was sind deiner Meinung nach die wesentlichen Gründe für die geringe Frauenquote in der Anwaltei? Welche Gedanken und Anregungen möchtest du den Kolleg:innen aus der Rechtsbranche mitgeben, um diesen Umstand zu ändern?
An den Unis sind die Quoten Stundentinnen/Studenten 50/50. In den Kanzleien sind die Quoten Konzipientinnen/Konzipienten 50/50.
Aber dann kommt die Eintragung als Anwältin. Und damit geht es bergab und es gibt einen signifikatnen Drop. In Wien sind 27% Kolleginnen, österreichweit überhaupt nur 23%.
Es gibt viele Gründe dafür. Einer ist jedenfalls dass das Berufsbild immer noch auf den alleinverdienenden Mann ausgerichtet ist, der endlose zeitliche Ressourcen hat, weil seine Frau sich daheim eh um die Kinder und Haushalt und sowieso alles kümmert.
Faktoren, wie Arbeitszeiten oder Kammerbeiträge erschweren es Rechtsanwältinnen und Müttern enorm, den Beruf wie vor der Geburt eines Kindes auszuüben. Meiner Meinung nach muss bei der Problemlösung hier angesetzt werden.
Und wenn Männer in Karenz gehen wollen, dann gilt das als Karrierekiller und es wird fest mit den Augen gerollt. Aber die Abwesenheit für 1 Jahr Secondement in einer Partnerkanzlei im Ausland oder ein Masterstudium ist kein Problem.
Im Rahmen des Projektes „Gegen Gewalt und Hass an Schulen“ klärst du als Rechtsanwältin die Schüler:innen auf. Welche Themen beschäftigen die Generation von morgen und welche Ziele verfolgst du mit deinem beeindruckenden Engagement?
Ich liebe es vorzutragen und weiß, dass die rechtliche Bildung in unserem Schulsystem zu kurz kommt. Als dann die Möglichkeit kam, Jugendlichen Einblicke in meinen Beruf und unser Rechtssystem zu geben, war ich sofort dabei.
Im letzten Jahr zwei Mal an einem Gymnasium im 15. Bezirk und habe dort vor mehr als 10 Klassen verschiedenster Schulstufen vorgetragen. Das Interesse am Recht ist jedenfalls da und die Kinder waren engagiert und fragefreudig. Vor allem im Bereich Social Media und Recht und Strafrecht waren sie sehr wissbegierig. Das größte „Aha-Erlebnis“ war in jeder Klasse, dass es keine strafrechtliche Konsequenzen für Jugendliche unter 14 Jahre gibt und dass auch die Eltern nicht strafrechtlich für die Kinder haften.
Das Projekt der RAK Wien hat übrigens zunächst „Anwalt macht Schule“ geheißen, worüber ich mich selbstverständlich auch umgehend beschwert hatte. (lacht).
Was ärgert dich am aktuellen Rechtssystem?
Dass Opfer sexueller Gewalt es so schwer haben und oft nicht Ernst genommen werden. Und es noch immer keine hinreichenden Kenntnisse und Ressourcen gibt, um die Onlinedelikte zu verfolgen. Mit einem anonymen Account und einer Verschleierung der IP-Adresse mittels VPN kann man quasi alles machen.
Seit kurzem darfst du dich auch Gründerin und Inhaberin des Yogastudios „namasthese“ nennen, wie kam es zu dieser unternehmerischen Aktivität und inwiefern hat dir der vorhandene Erfahrungsschatz als Rechtsanwältin und die bereits erfolgreiche Kanzleigründung geholfen?
Yoga ist schon seit einigen Jahren meine Leidenschaft. Letzten Sommer war ich in Italien und bei 39° im Schatten kam mir spontan die Idee ein eigenes Yogastudio in Wien Donaustadt zu eröffnen. Danach ging alles ziemlich schnell. Im September war die Wohnung gefunden, im November war es eingerichtet und seit Dezember haben wir offen und es läuft sehr gut. Auch bei diesem Projekt habe ich wieder gemerkt, wie wichtig es ist, die richtigen Leute zu kennen und vernetzt zu sein.
Welche Tipps hast du für Jusstudierende und Berufseinsteiger:innen?
Lasst euch nicht von Aussagen wie „Wer eine gute Mutter sein möchte, kann keine gute Anwältin sein“ entmutigen. Dieses Denken ist komplett veraltet und es wird Zeit, es zu durchbrechen. Gehe deinen Weg und lass dir von niemandem einreden, eine Entscheidung fällen zu müssen, denn das müssen eure männlichen Kollegen auch nicht!
Fotocredit: Anastasiia Podlubna