Beitrags Bild: Interview mit Thaddäus Leutzendorff – Gründer und Geschäftsführer von fairesLeben
Mittwoch, 25.10.2023

Interview mit Thaddäus Leutzendorff – Gründer und Geschäftsführer von fairesLeben

Heute dürfen wir mit dem LegalTech Gründer Thaddäus Leutzendorff über seine Erfahrungen als Unternehmer und die Herausforderungen beim Kampf gegen Hass im Netz sprechen.

Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den ein oder anderen Karrieretipp.


Sie sind Gründer und Geschäftsführer von fairesLeben – einem Tech-Startup, das in wichtigen rechtlichen Angelegenheiten wie beispielsweise zu hohen Mieten und Hass im Netz für faire Verhältnisse sorgen möchte. Wie sind Sie auf die Idee gekommen und was waren die Hürden zu Beginn?

In meiner Studentenzeit habe ich im Bereich der Prozessfinanzierung gearbeitet und das Modell kennengelernt. Die Vorteile waren offensichtlich: Sie gibt den Endkunden die Möglichkeit, ihre Rechte durchzusetzen, selbst wenn sie sozial benachteiligt sind. Oft stehen sie mächtigen Gegnern gegenüber, wie großen Konzernen oder anonymen Tätern im Internet. Trotz der scheinbaren „David gegen Goliath“ Situationen haben wir bei fairesLeben keine Angst, uns diesen Herausforderungen zu stellen. In den Jahren vor meiner Gründung habe ich die Prozessfinanzierung immer weiter beobachtet und fand schließlich die richtigen Partner. Ich sah ein großes Potenzial, einen Mehrwert zu bieten und uns digital vom Wettbewerb abzuheben.

Empfehlen Sie Absolvent:innen nach dem Studium ein eigenes Unternehmen zu gründen? Welche Eigenschaften muss man als Gründer und Unternehmer haben?

Eine pauschale Empfehlung zur Gründung eines Startups zu geben, ist schwierig, da jede Situation individuell ist. Die Startup-Welt hat zweifelsohne ihre Reize, und ich habe in den letzten 3,5 Jahren enorm viel gelernt. Aber sie kommt auch mit großen Verantwortungen und Herausforderungen. Jeder sollte sorgfältig prüfen, ob er der Typ dafür ist. Vor meiner Gründung hatte ich die Gelegenheit, bei zwei etablierten Startups zu arbeiten. Diese Erfahrung war unschätzbar, da ich beobachten konnte, welche Strategien funktionierten und welche nicht, und mich darauf vorbereitete, die Dinge in meinem eigenen Unternehmen besser zu machen.

Mit der Plattform fairesNetz bieten Sie eine Anlaufstelle, um jegliche Form von Online-Hass zu bekämpfen. Was sind typische Fälle, die Sie sehen?

Mit fairesNetz möchten wir eine Anlaufstelle für alle bieten, die von Online-Hass betroffen sind. Unsere Erfahrungen und Daten zeigen, dass es überwiegend Frauen sind, die mit Morddrohungen, sexueller Belästigung und schwersten Beleidigungen konfrontiert werden. Mitglieder der LGBTQ+ Community sind ebenfalls häufig Opfer von gezielten Angriffen und Hassbotschaften im Netz. Ein bedrückendes, jedoch keineswegs seltenes Beispiel ist eine lesbische Influencerin, die regelmäßig mit sexistischen Botschaften bedrängt wurde und sogar Morddrohungen erhielt. Es ist erschreckend zu sehen, wie Menschen aufgrund ihrer Meinung, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder Identität angefeindet werden. Täter agieren oftmals hinter einer scheinbaren Anonymität völlig frei im Internet, im Glauben, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, in dem sie nicht identifiziert oder zur Verantwortung gezogen werden können. Doch wir bei fairesNetz beweisen das Gegenteil: Wir haben die Mittel und das Know-how, diese scheinbare Anonymität zu durchbrechen und Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Wie kann ich mich als Opfer von Hass im Netz zur Wehr setzen?

Das Verteidigen gegen Online-Hass in Österreich erfordert Zeit und finanzielle Ressourcen. Viele Täter verbergen sich hinter Anonymität. Um diese zu durchbrechen, ist oftmals ein Gerichtsurteil gegen die betreffende Plattform erforderlich. Ein solches Verfahren kann Monate dauern und ist mit Anwalts- und Gerichtskosten verbunden. Eine andere Möglichkeit ist die Anzeige bei der Polizei. Doch hier hängt der Erfolg oft von der Ernsthaftigkeit ab, mit der die Anzeige behandelt wird. Ein markantes Beispiel: Ein Täter schickte einer Frau Nachrichten wie „Ich weiß, wo du wohnst“ und „ich hoffe, du findest heute deine Mutter tot am Boden“. Die Staatsanwaltschaft hat von weiteren Ermittlungen abgesehen. Erst durch unser Einschreiten und die Unterstützung des Rechtsanwalts Mag. Georg Kudrna wurde der Fall von der Staatsanwaltschaft ernst genommen und verfolgt. Besonders Personen mit größerer Reichweite stehen vor dem Problem, wöchentlich zahlreiche Hassnachrichten zu erhalten. Es ist für sie oft unmöglich, für jede Nachricht zur Polizei zu gehen oder einen Anwalt zu konsultieren, vor allem angesichts der damit verbundenen Kosten und dem Zeitaufwand.

Nimmt die Anzahl der Fälle von Hass im Netz tatsächlich immer mehr zu? Worauf führen Sie dies zurück?

Ob die Anzahl der Hassnachrichten tatsächlich zu- oder abnimmt, bleibt unklar, da es nicht ausreichend Daten oder Forschung dazu gibt. Doch wenn wir auf die letzten 10 Jahre zurückblicken, zeigt sich ein deutlicher Anstieg, da immer mehr Menschen soziale Medien nutzen. Insbesondere jüngere Nutzer sind hier verstärkt vertreten, was zu Problemen wie Cybermobbing in Schulen führt. Unsere eigenen Befragungen haben ergeben, dass während der Corona-Pandemie der Online-Hass stark zugenommen hat. Gründe dafür könnten die generelle Unzufriedenheit und Spaltung in der Gesellschaft sein. Ein trauriges Beispiel hierfür ist Frau Kellermayer, eine Ärztin, die so sehr bedroht und beleidigt wurde, dass sie Suizid beging. Zu diesem Thema durften wir auch in der ORF Reportage „Woher kommt der Hass“ beitragen.

Gibt es Formen oder Fälle von Hass im Netz, wo es kaum eine rechtliche Handhabe gibt?

Wir kämpfen aktuell an vielen Fronten und gehen die unterschiedlichsten Wege, um gegen alle Formen von Online-Hass Lösungen anzubieten. Aktuell sind die Aussichten sehr positiv und die Erfolge unserer ersten Verfahren in den letzten 18 Monaten bestätigen uns in unserem Vorgehen. Manchmal werden ernsthafte Bedrohungen, wie bereits erwähnt, von den Strafverfolgungsbehörden nicht ernst genommen. Es ist oft ein langer, mühsamer Prozess, um Gerechtigkeit für die Opfer zu erlangen. Durch unsere Arbeit hoffen wir, langfristig Lösungswege aufzeigen zu können und das Rechtssystem für die Vielschichtigkeit von Online-Hass zu sensibilisieren.

Was haben Sie von Ihrer Familie im Umgang mit dem Recht mitbekommen?

In meiner engeren Familie gab es keine Juristen, aber ich bin mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit aufgewachsen. Mit vier älteren Geschwistern lernt man schnell, was Gerechtigkeit bedeutet und wie man sie anwendet. Das Thema soziale Gerechtigkeit war immer präsent und wurde in unserer Familie großgeschrieben. Ich habe gelernt, dass jeder Mensch das Recht hat, gehört zu werden, und dass Gerechtigkeit für alle zugänglich sein sollte.

Was ärgert Sie am aktuellen Rechtssystem?

Was mich am aktuellen Rechtssystem am meisten ärgert, ist die mangelnde Unterstützung für Opfer von Online-Hass. Der mit Online-Hass verbundene Aufwand, ob zeitlich oder finanziell, ist für viele Menschen einfach nicht tragbar. In einer digitalen Ära, in der der Großteil der Kommunikation online stattfindet, sollte unser Rechtssystem besser darauf vorbereitet sein, die Betroffenen zu schützen und zu unterstützen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir kontinuierlich nach Wegen suchen, um diese Unterstützung zu verbessern und sicherzustellen, dass jeder die Hilfe erhält, die er benötigt.

Wir bedanken uns für die interessanten Einblicke und wünschen weiterhin viel Erfolg.

Weitere Informationen unter:
Website fairesNetz
Website fairesLeben

Steckbrief: Persönliche Fragen an Thaddäus Leutzendorff

Was bedeutet Erfolg für Sie?
Wahrer Erfolg zeigt sich darin, einen Unterschied im Leben anderer Menschen zu machen und positive Veränderungen in der Gesellschaft voranzutreiben. Für mich bedeutet Erfolg nicht nur finanzielle Stabilität oder Anerkennung in der Branche. Wenn unsere Kunden durch unsere Hilfe Gerechtigkeit erfahren weiß ich, dass wir erfolgreich sind.

Wo und wie tanken Sie Energie?
Am meisten Energie tanke ich, wenn ich alleine mit meinem Motorrad unterwegs bin und die Straße und die Umgebung in vollen Zügen genießen kann. Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer gibt mir die Möglichkeit, mich von allem abzuschotten, meine Gedanken zu sortieren und neue Energie zu sammeln.

Welches Buch lesen Sie gerade?
Aktuell lese ich „Atomic Habits“ von James Clear. Das Buch befasst sich damit, wie man gute Gewohnheiten aufbaut und schlechte Gewohnheiten loswird, um ein besseres und produktiveres Leben zu führen. Ich bin nicht wirklich ein Mensch für Romane, aber neben Fachlektüren versuche ich immer, Teile meines Lebens zu optimieren und langfristig positive Eigenschaften zu etablieren. „Atomic Habits“ bietet hierfür großartige Einblicke und Strategien. Ich kann es nur wärmstens empfehlen.

Ihr Lieblingszitat?
„I always did something I was a little not ready to do. I think that’s how you grow.“ – Marissa Mayer
Das Zitat spiegelt meine Erfahrungen als Gründer wider. Oft fühle ich mich nicht 100% bereit, bin unsicher, ob ich die richtigen Entscheidungen treffe, und muss aus meiner Komfortzone heraus. Aber genau in diesen Momenten lerne ich am allermeisten.