Beitrags Bild: Interview mit Rechtsanwalt Mag. Markus Reinfeld, LL.M., LL.M.
Donnerstag, 10.11.2022

Interview mit Rechtsanwalt Mag. Markus Reinfeld, LL.M., LL.M.

Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den einen oder anderen Karrieretipp.

Heute dürfen wir Rechtsanwalt Mag. Iur. Markus Reinfeld, LL.M., LL.M. begrüßen. Er ist Partner und Leiter des Standorts Wien von DAX WUTZLHOFER UND PARTNER RECHTSANWÄLTE und hat die Legal Tech Plattform kontractory mitbegründet. Mit seiner Erfahrung von zwei LL.M. Abschlüssen werden sowohl Einblicke in den eigenen Karriereweg gewährt als auch das Thema Legal Tech beleuchtet.


Vor Absolvierung Ihres Jusstudiums haben Sie Politikwissenschaften absolviert. War die Kombination aus Jusstudium und dem Studium der Politikwissenschaften von Anfang an geplant bzw. wie kam es dazu?

Mein Studium der Politikwissenschaft entsprang meinem generellen Interesse daran, die politischen Zusammenhänge zu erfassen und mir auch konzeptionelle Überlegungen dazu anzueignen. Beide Studien sind sich sehr ähnlich als es sich um „Lesestudien“ handelt. Geplant hatte ich das Studium der Politikwissenschaft nicht von Anfang an; nach dem 1 Jahr Jusstudium habe ich allerdings bemerkt, dass ich meinen Horizont über das rein Rechtliche noch erweitern wollte.

Sie haben sowohl einen LL.M. in Wien als auch in den USA absolviert? Wie kam es zu dieser Entscheidung und inwiefern unterscheiden Sie die Programme aus kultureller und didaktischer Perspektive?

Ich begann zunächst einen LL.M. in European and International Business Law an der Universität Wien, wobei ich mich für die englischsprachige Variante des Lehrgangs entschied. Das war definitiv die richtige Entscheidung, denn meine Kommiliton:innen waren im Hinblick auf Herkunftsland und bisherigen Erfahrungen bunt gemischt; diese Multikulturalität hat aus meiner Sicht maßgeblich dazu beigetragen, verschiedene Sichtweisen auf die besprochene Rechtsprobleme aufzuzeigen. Dieses Charakteristikum hat auch meinen LL.M. in United States Law an der Santa Clara University in Kalifornien ausgezeichnet. Didaktisch bestehen doch gewisse Differenzen zwischen beiden Programmen, nicht zuletzt angesichts der unterschiedlichen Rechtskreise und dem Fokus auf Case Law in den USA. Neben dem Wunsch, eine andere Kultur über einen längeren Zeitraum mitzuerleben, war diese unterschiedliche Herangehensweise in der Handhabung von Rechtsthemen sicher ein entscheidender Faktor für mich, einen LL.M. in den USA zu absolvieren.

Neben Ihrer Tätigkeit als Rechtsanwalt, Partner und Leiter des Standorts Wien von DAX WUTZLHOFER UND PARTNER RECHTSANWÄLTE haben Sie die Legal Tech Plattform kontractory mitbegründet. Wie funktioniert diese und wie unterscheidet sich die Beratung und auch die Mandanten im Rahmen einer online Rechtsberatung?

kontractory ist ein Legal Tech Start-up aus Wien. Basis der Services von kontractory ist der Vertragsgenerator. Durch individuell erstellbare Entscheidungsbäume ermöglichen wir die fehlerresistente und automatisierte Erstellung von Verträgen und anderen Dokumenten (Berichte, Auswertungen, berechnete Angebote etc). Dabei bedienen wir uns verschiedenster Tools (Texteingabe, Auswahlbutton, Zahlen-Slider, Toggler etc) und gelangen so zu einem simplen, kundenfreundlichen und dabei leicht verständlichen Abfrage-Prozesse für Nutzer:innen. Über unsere Plattform können Nutzer:innen zudem Termine für Videoberatung vereinbaren.

Letztlich ist unser Anspruch, den gesamten Zyklus einer Rechtsberatung online abzuwickeln. Im Vertragsbereich schaffen wir dies etwa in Zusammenarbeit mit unseren Partnern sproof (digitale Signaturen) und notarity (digitale Notariatsleistungen).

Wie wird Legal Tech in den nächsten 10 Jahren die Rechtsbranche verändern?

Wir befinden uns bereits mitten im Wandel. Von den Rechtssuchenden teilweise unbemerkt, bedienen sich die unterschiedlichsten Stakeholder im Rechtsbereich (ob Rechtsanwaltskanzleien, Notariate oder Unternehmen) Softwaretools zur Sicherstellung einer effizienten, sicheren und raschen Arbeitsweise. Im Unterschied zu solchen internen Tools ist kontractory eben außenwirksames Tool im B2B- und B2C-Bereich zur Abwicklung verschiedenster Rechtsfragen, von simplen Vollmachten und Vertraulichkeitsvereinbarungen, über die GmbH-Gründung bis hin zum Immobilienkaufvertrag.

Dieser Trend der Digitalisierung wird aus meiner Sicht weiter voranschreiten und weitere Effizienzsteigerungen hervorbringen. Eine gänzliche Automatisierung ohne jegliche Einbindung von Rechtsberater:innen ist aber derzeit noch nicht möglich und nach unserer Erfahrung wird die „Komponente Mensch“ seitens der Rechtssuchenden auch weiterhin als essentiell betrachtet. Hier darf man gespannt sein, inwiefern KI dem ambitionierten Ziel der vollständigen Automatisierung gerecht werden kann und dies auch mandantenseitig auf Akzeptanz stoßen wird.

Inwiefern und in welcher Form sollten sich Juristen schon jetzt mit der Digitalisierung und LegalTech beschäftigen?

Wie gesagt, die Digitalisierung wird nicht Halt machen. Insofern wird es für Jurist:innen zunehmend essentiell sein, sich zumindest eine Basis an digitalem (rechtlichem) Know-How anzueignen.

Haben Sie diesbezüglich konkrete Tipps für Studienanfänger und Berufsanwärter?

Besuchen Sie einschlägige Lehrveranstaltungen und Seminare, stöbern Sie in Fachzeitschriften. Damit sollte eine gute Basis geschaffen sein.

Auch bei der Wahl des Arbeitgebers kann der Grad an Digitalisierung in der täglichen Praxis ein Entscheidungsfaktor sein. So können auch Sie als Innovator:innen agieren und unternehmensintern (digitalen) Mehrwert schaffen.

Steckbrief: Persönliche Fragen an Mag. Markus Reinfeld, LL.M., LL.M.

Wo und wie tanken Sie Energie?
Meine Freizeit widme ich meiner Familie und insbesondere meinem 2-jährigen Sohn. Wenn es die Zeit erlaubt, gehe ich auch eine Runde Joggen, Radfahren oder widme mich Büchern und anderen Medien zum Thema Persönlichkeitsentwicklung.

Sind Ihnen Titel wichtig?
Titel sind für mich persönlich überhaupt nicht wichtig. Viel bedeutsamer sind Inhalt und Erfahrungsschatz, welche im Zuge der dahinterstehenden Ausbildungen erworben werden.

Angenommen es gibt keine Juristen mehr. Welchen Beruf – weit ab von einer juristischen Tätigkeit – hätten Sie dann?
Ich bin bereits jetzt in einem IT-Startup involviert, dass sich der Digitalisierung im Health Care Bereich verschreibt. Insofern würde ich wohl meine Ressourcen verstärkt solchen und ähnlichen Projekten im Bereich „Social Innovation“ widmen.

Welches Buch können Sie empfehlen?
Sapiens und Homo Deus von Yuval Noah Harari – er stellt komplexe Zusammenhänge simpel und einleuchtend dar. Aha-Effekte garantiert.

Was sind Ihre wichtigsten Werte?
Authentizität, Achtsamkeit und Selbstbestimmung.

Welche App ist für Sie unverzichtbar?
„Die“ unverzichtbare App gibt es für mich schlichtweg nicht, da es mittlerweile für nahezu jede tägliche Handlung eine passende App gibt. Als Kommunikationsmittel nutze ich aber WhatsApp wohl am meisten.

Ihr Lebensmotto?
Du wirst morgen sein, was du heute denkst.