Beitrags Bild: Interview mit Rechtsanwältin Nora Michtner – Partnerin bei der Singer Fössl Rechtsanwälte OG
Dienstag, 04.07.2023

Interview mit Rechtsanwältin Nora Michtner – Partnerin bei der Singer Fössl Rechtsanwälte OG

Heute dürfen wir Rechtsanwältin Nora Michtner zum Interview begrüßen. Sie teilt Ihre persönlichen Erfahrungen über die Arbeit in einem Versicherungsunternehmen vs. ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin und wie sie über diesen „(Um)weg“ Ihre Leidenschaft für das Versicherungsrecht entdeckt hat.

Auch der Spagat zwischen work-life und erfolgreichem Dienstleister, die Besonderheiten der Konzipientenzeit mit Mandantenkontakt und ihren Sprung in die Equity Partnerschaft werden geschildert.

Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den ein oder anderen Karrieretipp.


Wollten Sie schon immer Rechtsanwältin werden oder hatten Sie auch andere Berufsziele?

Ich wollte schon immer Jus studieren. Anfangs dachte ich, dass ich Richterin werden will. Während des Studiums habe ich aber schnell gemerkt, dass ich lieber für eine Seite streite als objektiv zu entscheiden. Zwischendurch war kurz die Überlegungen, in einer Versicherung zu arbeiten. Ich habe dann in zwei Versicherungsunternehmen durch Studentenjobs hineingschnuppert und schnell gemerkt, dass ich zwar im Versicherungsrecht tätig sein will, aber als Anwältin und nicht Inhouse.

Wie unterscheidet sich die Arbeit als Juristin in einem Versicherungsunternehmen zum Karrierepfad Rechtsanwältin und wieso haben Sie sich dann gegen die Versicherungsbranche entschieden?

Ich gehe gerne zu Gericht verhandeln. Im Versicherungsunternehmen hatte ich immer das Gefühl, dass die Rechtssache zur Anwältin wechselt, wenn es spannend wird.  Ich liebe einerseits die juristische Tätigkeit, bin aber auch sehr gerne Unternehmerin, weshalb ich Inhouse in einer großen Versicherungsgesellschaft auf Dauer nicht glücklich gewesen wäre. Ich bin nicht der Typ Mensch, der sich gerne in starke Hierarchien einfügt. Ich entscheide gerne selbst, was ich tue und wann ich es tue. Als selbständige Rechtsanwältin bzw. Gesellschafterin in einer Anwaltskanzlei mag es zwar kein 9 to 5 geben, aber wie viel ich arbeiten will, entscheide dennoch ich.

Wenn es für jemanden ein Entscheidungskriterium ist, sollte man natürlich auch bedenken, dass die Verdienstmöglichkeiten in Rechtsabteilungen weit beschränkter sind, als in der Anwaltei.  

Viele Kanzleien (über)erfüllen das vorhandene Anwaltsklischee von Vielarbeiten. Sind exzessive Überstunden ein Indikator für gute Leistungen und was dürften Mitarbeiter:innen diesbezüglich von Ihrer Kanzlei erwarten?

Wir sehen uns im Verhältnis zu anderen Kanzleien als eine work-life-balance Kanzlei – auch wenn ich diesen Begriff nicht so gerne verwende – und nicht als ein Bergwerk. RechtsanwaltsanwärterInnen sollten jedoch zwei Dinge nicht aus den Augen verlieren: wir sind Dienstleister und daher auch sehr von den Wünschen unserer MandantInnen abhängig, wobei es natürlich auch hier möglich ist, durch gute Kommunikation Grenzen zu setzen. Außerdem bieten wir eine sehr gute Ausbildung. Und ein Ausbildungsverhältnis ist sicherlich etwas anderes als ein 9 to 5-Job in der Rechtsabteilung.

Wir genießen aber alle unsere Freizeit und haben auch Familie. Unsere Arbeitszeiten bewegen sich also zwischen 9 und 19 Uhr, am Freitag wesentlich kürzer. Wenn es mal sein muss, bleibt man länger. Und wenn man Abendpläne hat, geht man auch mal früher. Die Arbeit muss gemacht werden und mit entsprechender Selbstorganisation ist das sicherlich auch gut bis 19 Uhr schaffbar.

Die Konzipientenzeit – von der Rechtsanwaltsanwärterin zur Rechtsanwältin – beinhaltet, wie Sie schon sagten, einen gewissen Ausbildungscharakter. Welche Erfahrungen haben Sie während Ihrer Konzipientenzeit gemacht und wie handhaben Sie das Thema als Partnerin und Arbeitgeberin?

Wir bieten den RechtsanwaltsanwärterInnen einerseits die Möglichkeit eines direkten Mandantenkontaktes, je nach Ausbildungsstufe im Sinn einer Mitarbeit, aber sehr rasch im Sinne einer eigenständigen Betreuung von MandantInnen – natürlich mit entsprechender Kontrolle durch die RechtsanwältInnen. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass man so nicht nur sehr viel lernt, sondern es auch einem ein gutes Gefühl gibt, wenn man für etwas verantwortlich ist. Andererseits lassen wir RechtsanwaltsanwärterInnen auch gerne direkt mit uns an Akten zusammenarbeiten im Sinne einer Teamarbeit. Durch den fachlichen Austausch können auf beiden Seiten, also sowohl für die RechtsanwältInnen als auch für die AnwärterInnen, neue Ideen und rechtliche Lösungsansätze entstehen, welche eine bestmögliche Mandantenbetreuung ermöglichen. Hier geht es uns um ein Miteinander und nicht ein reines Zuarbeiten. Das bringt Wertschätzung und ein gutes Verhältnis im Team.

Bereits sechs Jahre nach Ihrer Eintragung als Rechtsanwältin wurden Sie Partnerin und Gesellschafterin in einer bereits bestehenden und erfolgreichen Wirtschaftskanzlei. Wie haben Sie das geschafft und welche Tipps können Sie Jurist:innen mit dem Berufsziel Equity Partnerschaft mitgeben?

Ich könnte jetzt sagen: „Mit viel Ehrgeiz und harter Arbeit“, aber das trifft es eigentlich nicht ganz. Ich bin sicherlich sehr ehrgeizig und strebsam und habe mir immer Ziele gesteckt, die ich erreichen wollte. Der Einstieg in die Anwaltsgesellschaft war daher ab einem gewissen Zeitpunkt mein Ziel. Ich hatte mit meinen jetzigen Kanzleipartner aber auch das Glück, dass sie mich immer gefördert und gefordert haben. Ich konnte mir mit Versicherungsrecht meinen eigenen Fachbereich aufbauen und gleichzeitig im Gesellschafterstreit sehr viel vom bestehenden Know How übernehmen. Außerdem haben sie mir ermöglicht, in Karenz zu gehen und meine Tätigkeit auch mit Kleinkind anfangs Teilzeit fortzusetzen.

Mein Tipp: Sucht euch etwas, was auch Spaß macht und bleibt voll dahinter. Es gibt gute und es gibt anstrengende Zeiten. Verfolgt eure Ziele mit Ehrgeiz und Freude, aber findet etwas, was ihr zu 80% der Tage gerne ausübt. Und macht die Augen auf, wer in eurem Umfeld tätig ist und ob ihr euch mit den richtigen Personen umgebt, die euren Weg unterstützen werden und euch nicht als zukünftige Konkurrenz sehen.

Haben Sie aktuell offene Stellen in Ihrer Kanzlei?

Wir sind derzeit auf der Suche nach einem/einer Rechtsanwaltsanwärterin, welche vor allem gerne im Baurecht und Vertragsrecht tätig sein möchte.

Steckbrief: Persönliche Fragen an Nora Michtner

Wo und wie tanken Sie Energie?
Ich gehe gerne Laufen, spiele Golf und verbringe Zeit mit meinem Mann und meiner 4-jährigen Tochter.

Angenommen es gibt die Rechtsbranche nicht mehr. Welchen Beruf hätten Sie dann?
Früher habe ich immer gesagt: Zuckerbäckerin. Aber eigentlich will ich mir gar nicht vorstellen, dass ich irgendwann nicht mehr Anwältin sein könnte.

Welches Buch lesen Sie gerade?
Von Tonio Schachinger „Echtzeitalter“ – das ist für mich witzig zu lesen, da ich selbst auch im Theresianum war.

Welche App ist für Sie unverzichtbar?
LinkedIn und Spotify

Ihr Lebensmotto?
Wer seine Ziele erreicht, hat sie zu niedrig gesteckt (Herbert von Karajan)