Interview mit Mag. Marco Wolfsberger, LL.M. – Jurist bei der Wiener Börse
Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den einen oder anderen Karrieretipp.
Heute dürfen wir Mag. Marco Wolfsberger, LL.M. begrüßen. Der kapitalmarktaffine Jurist wird Einblicke in seine Tätigkeit bei der Wiener Börse AG geben und uns von seinen Erfahrungen im Jusstudium, seinem absolvierten LL.M. im Bereich Sportrecht und seiner Zeit als Universitätsassistent und Konzipient berichten.
Was waren Ihre Beweggründe für das Jusstudium?
Meine Schulfreunde meinten, ich solle etwas mit Deutsch und Sprache machen, weil das das einzige Fach ist, das ich wirklich beherrsche. Ich war lange Zeit zwischen Jus und Publizistik hin- und hergerissen, habe mich aber schlussendlich für Jus entschieden, weil ich nebenberuflich ohnehin als Sportredakteur bei den OÖ Nachrichten und einem Online-Portal tätig war und so beide Bereiche abdecken konnte.
Ehrlich gesagt habe ich anfangs gezweifelt, ob Jus die richtige Wahl ist. Das römische Recht und Fälle zur Übertragung von silbernen Tischen konnten bei mir noch kein Feuer für die Juristerei entfachen. Nachdem diese Hürde genommen war, merkte ich aber bereits im 1. Studienabschnitt, dass Jus doch wesentlich mehr Realitätsbezug aufweist und uns täglich begegnet (zB Vertragsschluss). Auch die Erklärung, wie politische Wahlen genau ablaufen und wo und wie detailliert das alles geregelt ist, war ein erstes Aha-Erlebnis für mich, welches mir zeigte, dass ich mich gerne länger mit Jus beschäftigen möchte. Aus der anfänglichen Skepsis ist dann doch eine gewisse Liebe auf den zweiten Blick geworden.
Sie haben bereits als Universitätsassistent, Konzipient und auch als Jurist bei der Wiener Börse gearbeitet – inwiefern unterscheiden sich die Karrierewege und welche Erfahrungen konnten Sie sammeln?
Die Zeit als Universitätsassistent am Institut für Unternehmensrecht der JKU Linz war unvergesslich. Man lernt den Uni-Betrieb von der anderen Seite kennen, kann aber zugleich auch noch ein wenig die schönen Seiten des Uni-Lebens genießen. Die Abhaltung von Lehrveranstaltungen für Studierende war eines der Highlights in dieser Zeit, das hat mir wirklich Freude bereitet. Man genießt auch relativ viele Freiheiten, kann sich mit Themen, die einen interessieren, in der Tiefe beschäftigten und erhält das Rüstzeug für sauberes wissenschaftliches Arbeiten. Es ist sicherlich ein sehr gutes Setting für all jene, die eine Dissertation schreiben möchten. Zudem herrschte bei uns am Institut eine familiäre Atmosphäre, was das Ganze abrundete. Man muss sich halt bewusst sein, dass der Karriereweg an der Uni für die meisten nach einigen Jahren endet, weil es nur wenige Laufbahnstellen gibt. Die dort erhaltene Ausbildung kann man aber auch bei anderen Berufsfeldern sehr gut verwerten.
Im Anschluss an meine vierjährige Zeit an der Uni habe ich die Gerichtspraxis finalisiert und bin dann als Konzipient zu einer Linzer Wirtschaftsrechtskanzlei gewechselt, wo ich zuvor bereits ein mehrjähriges Praktikum absolviert habe. Ich denke man lernt nirgendwo anders in derart geraffter Form so viel wie in einer Kanzlei und wird beinahe täglich mit neuen Aufgabenstellungen konfrontiert. Der Kontakt mit den Mandanten, die Durchsetzung ihrer Interessen vor Gericht und generell der starke Praxisbezug machen das Konzipientenleben spannend und haben auch mir sehr zugesagt.
Ich hätte mir auch vorstellen können, länger in der Kanzlei zu bleiben, doch habe ich gemerkt, dass sich mein Interessenschwerpunkt – neben dem Sport-, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht – immer mehr in Richtung Kapitalmarkt verlagert. Als ich dann das Inserat der Wiener Börse für den Job als Jurist in deren Rechtsabteilung gesehen habe, wollte ich die Chance nutzen, da ich dann meine Leidenschaft für den Finanzmarkt und Jus in einem perfekt abdecken kann. Nach zwei Monaten bin ich mir sicher, dass der Schritt an die Wiener Börse der absolut richtige war: Abwechslungsreiche und fordernde Projekte, spannende Einblicke in die Abläufe rund um den Börsenhandel und Finanzmarkt, tolle Ausbildungsmöglichkeiten und sympathische KollegInnen!
Wann haben Sie neben Ihrer Begeisterung für die Rechtsbranche eine Affinität für den Kapitalmarkt entwickelt?
Noch zu Beginn meiner Studienzeit war ich noch das krasse Gegenteil von kapitalmarktaffin und überzeugt, dass ein Sparbuch die vernünftigste und sicherste Anlageform sei. Aufgrund der jahrelang sinkenden Sparzinsen wurde mir aber langsam bewusst, dass auch sicher ist, dass das auf dem Sparbuch geparkte Geld real immer weniger wert wird. Daher wollte ich etwas ändern und habe 2017 mit Hilfe eines Vermögensberaters mit der Geldanlage begonnen. Ich habe dann die Kurse täglich verfolgt, was nicht unbedingt sinnvoll ist, aber mir gezeigt hat, dass ich mich intensiver mit dieser Thematik auseinandersetzen möchte. Seither hat der Aktienmarkt eine Faszination auf mich ausgeübt, sodass ich mir Anfang 2020 ein selbst verwaltetes Depot zugelegt habe. Das war ein glücklicher Zufall, weil sich nur wenige Monate später durch die Corona-Krise sehr gute Kaufgelegenheiten eröffneten und ich einen soliden Grundstock, der auch heute noch das Fundament meines Depots bildet, aufbauen konnte. Danach habe ich mich immer tiefer in die Materie gestürzt, jede Menge Finanzliteratur und Geschäftsberichte gelesen und bin begeisterter Börsianer.
Wichtig ist, dass man Aktien nicht als Spekulationsobjekt, sondern als Beteiligung an einem Unternehmen versteht und auch so behandelt. Durch die Beobachtung des Aktienmarkts bleibt man auch technologisch am neuesten Stand und bekommt ein gewisses Gespür dafür, welche Geschäftsmodelle zukunftsfit sind. Das können völlige neue Trends sein, aber auch seit vielen Jahrzehnten erfolgreich erprobte (Stichwort: schwarze Limonade).
Ich bin überzeugt, dass wenn man ein paar Grundregeln (zB langer Anlagehorizont, breite Streuung über verschiedene Regionen und Branchen hinweg, Hypes nicht nachlaufen, kontinuierliches Investieren) befolgt, sich Anlagefehler verzeiht und nur das Geld investiert, welches man für das tägliche Leben nicht unbedingt benötigt, auf lange Sicht ordentlich abschneiden kann. Ich denke, die private Vorsorge wird immer mehr zu einer Notwendigkeit, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen demografischen Entwicklung, wo die geburtenstarken Jahrgänge ins Pensionsalter kommen und künftig weniger Erwerbstätige mehr Pensionsberechtigte finanzieren müssen. Zudem bieten viele Aktien und ETFs einen besseren Schutz gegen Inflation als das Sparbuch oder das Geld unter dem Kopfpolster.
Mit welchen Herausforderungen ist man als Jurist bei der Wiener Börse AG konfrontiert?
Da die Wiener Börse AG als Betreiberin der Handelsplätze Wien und Prag in erster Linie ein Infrastrukturanbieter ist und auch Marktdaten vertreibt oder IT-Services bereitstellt, bewegt sich die juristische Tätigkeit oftmals stark an der Schnittstelle zwischen Kapitalmarktrecht und IT-Recht. Zudem müssen regulatorische Vorgaben erfüllt werden, was von der Finanzmarktaufsicht (FMA) auch überwacht wird. In diesem Spannungsfeld bewegt sich ein wesentlicher Teil unserer Tätigkeit.
Daneben kommen dem Legal-Team auch klassische Aufgaben einer In-House-Rechtsabteilung zu, wobei wir Ansprechpartner für alle Fachabteilungen der Wiener Börse sind und die Fragestellungen die unterschiedlichsten Rechtsbereiche betreffen: Neben der Vertragsprüfung und -erstellung, die sicherlich den zweiten großen Eckpfeiler der Tätigkeit bildet, wurde ich in den ersten zwei Monaten bei der Wiener Börse bereits mit gesellschafts-, kartell-, datenschutz- und steuerrechtlichen Themen konfrontiert, was die Aufgabe sehr abwechslungsreich macht. Zusätzlich verfassen wir auch Stellungnahmen zu kapitalmarktspezifischen Gesetzesentwürfen oder regen Gesetzesänderungen an.
Aufgrund der Anzahl der involvierten Stellen bei Börsengeschäften ist es anfangs nicht leicht, einen Überblick über die ganzen Abläufe zu bekommen. Deshalb sehe ich es als großen Vorteil, dass ich jederzeit zu meinen KollegInnen im Legal-Team gehen kann, die schon lange an der Börse tätig sind, die Hintergründe zu den jeweiligen Projekten und Rechtsfragen kennen und wissen, wie der Hase läuft. Generell muss ich sagen, dass ich von den KollegInnen an der Börse – fachbereichsübergreifend – herzlich aufgenommen wurde und eine sehr angenehme, kollegiale Atmosphäre herrscht, was einen einfach gerne in die Arbeit gehen lässt.
Sie haben nach Ihrem Jus-Studium noch ergänzend ein LL.M.-Studium in Sportrecht abgelegt. Was waren die Gründe für diese Wahl und inwiefern nutzen sie dort vermittelten Inhalte heute noch?
Da ich seit ich seit meiner Kindheit sehr sportbegeistert und nunmehr seit über 16 Jahren als Fußballschiedsrichter tätig bin, wollte ich diese Leidenschaft mit der Juristerei verknüpfen und habe mich deshalb für das postgraduale Masterstudium Sportrecht an der Donau Universität Krems entschieden.
Durch den bunten Mix an Vortragenden (Richter des CAS, Juristen des ÖFB, der Bundesliga oder des Sportministeriums, Rechtsanwälte, aktive Sportler etc) bekamen wir die Inhalte aus den unterschiedlichsten Perspektiven vermittelt. Besonders fasziniert haben mich die Fußballrechtsmodule, wo wir praxisrelevante Themen wie die Ausgestaltung von Spielertransferverträgen, Transferbeteiligungsmodellen, Vermarktungs- und Werbeverträgen oder die 50+1-Regel juristisch aus Sicht der verschiedenen Stakeholder ausführlich analysiert haben. Das hat mich – nachdem ich bereits meine Diplomarbeit zur unionsrechtlichen Zulässigkeit von Financial Fairplay und Third Party Ownership verfasst habe – angespornt, zu sportrechtlichen Themen in juristischen Fachjournalen zu publizieren, etwa zu markenrechtlichen Problemstellungen bei der Nutzung von Vereinslogos oder zur Frage, wann Sportsponsoring Untreue im strafrechtlichen Sinn darstellen kann.
Da es sich bei Sportrecht um eine Querschnittsmaterie handelt, waren die Module auch sehr breit gefächert und haben mir das Erstellen von Verbindungen zwischen Theorie und Praxis und den verschiedenen Rechtsgebieten ermöglicht. Auch abseits des Kernjuristischen habe ich von diesem Studium profitiert, da ich ab Februar 2023 als Spielbeobachter in der österreichischen Fußballbundesliga fungieren darf und diese Tätigkeit sowohl das Interesse für den Sport als auch die Kenntnis der Verbandsregulative erfordert und dafür ein juristischer Background hilfreich ist.
Was war Ihr prägendstes Berufserlebnis?
Ein bestimmtes Erlebnis kann ich nicht herausgreifen, es gab aber viele kleine Highlights: Im kernjuristischen Bereich die Abhaltung der ersten Lehrveranstaltung als Lehrender vor rund 100 Studierenden, ein ORF-Live-Studiogespräch zu den markenrechtlichen Problemen bei der Nutzung von Sportvereinslogos, die Veröffentlichung von Publikationen in Fachjournalen, die erste eigenständige Gerichtsverhandlung oder im sportlichen Umfeld auch die Betreuung der UEFA-Delegierten als Liaison Officer im Rahmen der Europacup-Heimspiele des LASK und bei Länderspielen des ÖFB-U21-Teams von 2019 bis heute.
Tipps an Studienanfänger?
Auf die anderen StudienkollegInnen zugehen, denn gemeinsam schafft man das Studium viel leichter, egal ob man in der Gruppe lernt, über die zu lange Klausur jammert oder fortgeht. Die Motivation auch bei Rückschlägen im Studium dranzubleiben, ist viel höher, wenn man sich austauschen kann und am Campus Leute trifft, auf die man sich freut. Gerade während der Unizeit geschlossene Freundschaften halten teilweise ein ganzes Leben und sind oft mehr wert als der Abschluss.
Ansonsten würde ich versuchen, schon während des Studiums über Praktika in Kanzleien oder Unternehmen, eine Rechtshörerschaft bei Gericht oder Moot-Courts einen Einblick in möglichst viele verschiedene Berufsfelder und Rechtsgebiete zu bekommen, um so herauszufiltern, was einen wirklich interessiert. Auch wenn ich es leider verabsäumt habe, würde ich jedem empfehlen, ein Auslandssemester zu absolvieren, da sich diese Gelegenheit gerade im doch intensiven Jus-Geschäft vielleicht nur einmal ergibt.
Wir bedanken uns für das spannende Interview und wünschen weiterhin viel Erfolg.
Fotocredits:
Portrait: Ulli Engleder
Wiener Börsen Gebäude: Wiener Börse/Nik Pichler