Interview mit ELSA Austria President Christina Schimetta, LL.B. (WU)
Heute haben wir die Freude, Christina Schimetta, LL.B. (WU), als Interviewpartnerin willkommen zu heißen. Seit August 2024 bekleidet sie das Amt der President von ELSA Austria. In unserem Gespräch gibt sie nicht nur spannende Einblicke in die Organisation und deren Angebote für angehende Jurist:innen, sondern erzählt auch, was sie persönlich zu ELSA geführt hat und warum sie sich dort engagiert.
Welche Geschichte bzw Idee liegt dem Verein ELSA zugrunde?
Die European Law Students’ Association wurde am 04.05.1981 in Wien gegründet. Hintergrund war, dass fünf Studierende aus Österreich, Ungarn, Polen und Westdeutschland in Zeiten des Eisernen Vorhangs trotzdem die Notwendigkeit einer Vernetzung zwischen Jusstudierenden gesehen haben. Außerdem wollte man damit ein Zeichen für internationale Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis zwischen West- und Osteuropa setzen.
Nun können wir auf fast 45 Jahre internationale Zusammenarbeit zurückblicken und unserer Vision “A just world in which there is human dignity and cultural diversity” jedes Jahr einen Schritt näherkommen.
Wie bist du persönlich auf ELSA aufmerksam geworden? Und was waren deine Beweggründe, bei ELSA Mitglied zu werden?
Ich habe über eine Bekannte von ELSA erfahren. Sie war damals im August 2020 am Ende ihres Masterstudiums an der WU, während ich gerade mein Maturazeugnis in den Händen hielt. Wohlwissend, dass mein Studium mit wenig Präsenzlehre und auch wenig Ersti-Events starten würde, habe ich sie nach Empfehlungen gefragt, wie man denn sein Studium bestmöglich gestaltet. Ihr Tipp lautete damals: “Geh’ zu ELSA, da lernst du schnell nette Leute kennen und ein Netzwerk brauchst du im Studium”.
Gesagt, getan. Seit dem 14.08.2020 hat sich mein Bekannten- aber auch Freundeskreis exponentiell vergrößert. Das unbezahlbare Netzwerk reicht in meinem Fall mittlerweile weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Egal, ob in meinem kommenden Auslandssemester oder bei einer privaten Islandreise - vor Ort wird immer jemand sein, der auch bei ELSA tätig ist und mit dem man sich bei einem netten Kaffee austauschen kann.
Außerdem wollte ich durch ELSA die Rechtsbranche kennenlernen, da ich nicht aus einer Anwaltsfamilie stamme und somit keine Idee hatte, welche Arbeitgeber*innen auf dem Arbeitsmarkt auf mich warten. Durch die diversen ELSA Partnerkanzleien kann man sich somit schon von einigen etwaigen Arbeitsplätzen durch Events einen Überblick verschaffen und Mitarbeitende vor Ort näher kennenlernen.
Mittlerweile zieht es mich mehr in die Richtung der internationalen Zusammenarbeit, was aber auch auf ELSA zurückzuführen ist. Wir haben nämlich als Beobachter bei den Vereinten Nationen durch ELSA die Möglichkeit, Delegationen nach Genf, Wien aber auch nach New York City zu schicken. Als ELSA Delegierte durfte ich im vergangenen Jahr im UN Headquarter im Big Apple in die Welt der internationalen Diplomatie eintauchen. Dort mit Delegierten verschiedenster Staaten zu sprechen und herauszufinden, dass diese auch bei ELSA aktiv waren, hat mir einmal mehr gezeigt, wie groß dieses Netzwerk ist.
Derzeit bist du President von ELSA Austria, warst aber zuvor bereits längere Zeit bei ELSA WU Wien aktiv. Wie war dein Werdegang bei ELSA?
Ich bin 2020 passives Mitglied geworden und habe in meinem ersten Jahr alle Online-Events besucht, um irgendwie neue Leute während der Pandemie kennenzulernen. Präsenzevents waren erst wieder 2021 möglich.
Meine aktive Karriere begann durch einen Instagram-Post aus dem Jahr 2021, in dem ELSA Austria einen Institutional Visit nach New York bewarb. Einmal in dieser Weltmetropole stehen und dort juristische Institutionen besuchen? - ich war sofort überzeugt. Im März 2022 ging es dann für rund 20 Studierende und mich nach New York City. Dort wurde mir erst bewusst, dass ELSA österreichweit und sogar europaweit agiert und dass man behind the scenes noch viel mehr erleben kann. Das lag vielleicht auch daran, dass ich als nicht-aktives Mitglied von lauter aktiven Mitgliedern umgeben war. Diese Reise war ausschlaggebend, dass ich später zur österreichischen Generalversammlung nach Innsbruck gefahren bin, um dort die Reisegruppe wiederzusehen. Der Austausch und das Wiedersehen hat mir so gut gefallen, dass ich bald darauf für die Position der Secretary General des Vereins an der WU kandidiert bin. Im Jahr darauf übernahm ich dann das Amt der President an der WU und seit August darf ich mich nun President von ELSA Austria nennen.
Ich habe in meiner Zeit an der WU gemerkt, dass ich vor allem die internationale Komponente von ELSA - internationale Generalversammlungen, länderübergreifende Kooperationen organisieren, Wissen an andere weitergeben und koordinieren - am meisten schätze, was nun auch meine Kerntätigkeit bei ELSA Austria ist. Als nationale Präsidentin gefällt mir darüber hinaus sehr, dass ich aus dieser Position an die Presidents der Fakultätsgruppen Wissen zurückgeben kann und wie eine große Schwester agieren darf - alles in allem also eine sehr erfüllende Karriere, die ich nicht missen wollen würde.
Was möchtest du während deiner Amtszeit bei ELSA Austria umsetzen? Welche Ziele hast du für ELSA in diesem Jahr?
Wir befinden uns nun ungefähr bei der Hälfte des Amtsjahres, da wir jeweils im August in unsere Vorstandstätigkeit starten. Mein Fokus lag in den ersten Monaten vor allem darin, die bestehenden Partnerbeziehungen proaktiv auszubauen. In den folgenden Monaten möchte ich ELSA Austria im Bereich External Relations besser strukturieren. Hier geht es vor allem um interne Reformen. Als National Board war uns dieses Jahr vor allem wichtig, dass wir viele neue Gesichter zusammenwachsen lassen und zeigen, was eine unterstützende und vor allem inspirierende Gemeinschaft ausmacht. Umgesetzt haben wir das durch viel Transparenz bei unserer Tätigkeit, aber auch durch einen verstärkten Fokus auf die soziale Komponente bei unseren Netzwerktreffen. Wir arbeiten alle sehr viel für ELSA, aber am wichtigsten sind die Freundschaften und die Leute hinter den Projekten. Neben dem internen Abbau von Hierarchie und Bürokratie wollen wir dieses Amtsjahr nach außen hin ein Zeichen für Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte setzen. Wir nehmen hierfür an der internationalen Menschenrechtskampagne von ELSA International teil, die sich jedes Jahr auf ein Menschenrechtsthema spezialisiert hat. Das österreichische Netzwerk organisiert zu dem Thema Workshops, aber auch eine entsprechende Begleitung auf Social Media. So wollen wir uns im Rahmen unserer politischen Unabhängigkeit für unsere Werte einsetzen.
Wie hat dich dein bisheriges Engagement bei ELSA geprägt?
Die kurze Antwort ist: sehr stark. Mir hat ELSA vor allem persönlich weitergeholfen, über mich hinauszuwachsen. Als herangehende junge Juristin in einer sehr dynamischen Welt muss man sich immer wieder Herausforderungen stellen, wo man sich im ersten Moment denkt: ”Schaffe ich das überhaupt?" ELSA wirft dich direkt ins kalte Wasser und bietet dir gleichzeitig eine unbezahlbare Spielwiese, auf der du dich ausprobieren kannst. Als President verhandelte ich plötzlich Sponsoringverträge mit Partner*innen von Großkanzleien, durfte öffentliche Reden bei Events halten und lernte gegenüber mehreren Stakeholdern Verantwortung zu übernehmen. ELSA hat mir also in einer Art Crashkurs Projekt- und Zeitmanagement, Public Speaking und Negotiation Skills beigebracht. Wenn du dich bei deiner Wahl zur President von ELSA Austria einem Hearing vor über 100 Leuten gestellt hast und schlussendlich die Wahl gewinnst, gibt dir das sehr viel Selbstvertrauen - und überhaupt nach langwierigen Vorbereitungen dann das Strahlen der Teilnehmenden bei deinem Event zu sehen, ist das Lohnendste, was dir deine Vereinstätigkeit geben kann. Ich bin durch ELSA kurz gesagt zu einer mutigen, selbstbewussten jungen Frau herangewachsen, die sich von kurzfristigen Änderungen oder Gegenwind nicht so schnell beunruhigen lässt. Auch Gelassenheit in Stresssituationen lernt man schnell bei ELSA. Außerdem inspirieren dich deine Vorstandskolleg*innen, das Team, die Leute, die man durch die Vorstandstätigkeit trifft, tagtäglich und zeigen dir dadurch immer mehr Möglichkeiten für deine Zukunft auf.
Ist es deiner Meinung nach überhaupt sinnvoll, nicht aktives ELSA-Mitglied zu sein/werden?
Auf jeden Fall. Um zu wissen, ob man mitarbeiten möchte, muss man zunächst einmal passives Mitglied sein und Events besuchen. Man kann sich als passives Mitglied schon sehr viel aus ELSA herausnehmen, jedoch möchte ich auch hervorheben, dass in meiner Erfahrung am Ende des Tages die coolsten Momente nicht die Events waren, sondern das Zusammenarbeiten mit den Menschen davor. Wie sagt man so schön: Der Weg ist das Ziel. Wenn man mit Menschen zusammenarbeitet, wächst man einfach anders zusammen als wenn man sich nur kurz auf einem Event unterhält. Die engeren Freund*innen, die ich durch ELSA bekommen habe, sind meine aktuellen oder ehemaligen Vorstandskolleg*innen. Daher meine Empfehlung an die Studierenden: Schnuppert hinein in die Vorstandstätigkeit und holt noch mehr aus dieser wunderbaren Schatzkiste an Möglichkeiten heraus.
Was sind die sogenannten ELSA Flagship Projects?
Das sind die prestigeträchtigsten und ältesten Projekte von ELSA International. Dies sind:
die ELSA Delegations (zu verschiedenen Institutionen wie die UN, Council of Europe, WTO, Wipo usw)
die Summer/Winter ELSA Law Schools (1 Woche mit ca. 20 Studierenden mehr zu einem Rechtsgebiet in einem anderen Land erfahren und die Stadt kulturell kennenlernen),
die ELSA Traineeships (Auslandspraktika),
die ELSA Legal Research Groups (länderübergreifende vergleichende Recherche zu einem Thema), und
die weltweiten Moot Courts, nämlich den “John H. Jackson Moot Court Competition” zu WTO Handelsrecht und die “Helga Pedersen Moot Court Competition” zu Menschenrechten.
Es sind also die größten internationalen Projekte, die ELSA zu bieten hat.
Für wen eignet sich welches Angebot bzw. was sind deine Top 3 unter den ELSA Flagship Projects?
Für Reiselustige würde ich jedenfalls die Delegations empfehlen, sowie die Summer/Winter ELSA Law Schools. Das sind jeweils eine Woche dauernde Projekte.
Für besonders im akademischen Bereich Interessierte ist sicher ein Moot Court sowie eine Legal Research Group von Vorteil.
Die Traineeships kann ich allen empfehlen, die gerne ihre ausländische Arbeitserfahrung ausbauen möchten. Ich könnte keine Top 3 herausgreifen, da ich selbst nur eine Delegation zur UNCITRAL im UN Headquarter in NYC und eine WELS (Winter ELSA Law School) zu New Technologies and AI in Brüssel besucht habe. Diese beiden kann ich daher aus eigener Erfahrung besonders empfehlen.
Ein Engagement im Rahmen von ELSA ist somit eine interessante Möglichkeit, sich neben dem Jus Studium sozial zu engagieren, Praxiserfahrung zu sammeln und durch das außeruniversitäre Engagement beim nächsten Bewerbungsgespräch hervorzustechen. Wie kann man bei ELSA Mitglied werden?
In Österreich ist das ganz einfach: Man registriert sich auf der Website der jeweiligen Fakultätsgruppe, das heißt bei der ELSA Gruppe deiner Universität.
Wir sind als ELSA Austria mit ELSA Innsbruck, ELSA Graz, ELSA Salzburg, ELSA Linz, ELSA WU Wien und ELSA Vienna (an der Uni Wien) somit an sechs Standorten in Österreich vertreten. Man muss bei uns lediglich die Inskriptionsbestätigung hochladen. ELSA ist somit politisch unabhängig, von Geschlechtern unabhängig und auch unabhängig vom Notenschnitt - ein safe space für heranwachsende Jurist*innen.
Vielen Dank für die spanenden Insights und weiterhin viel Erfolg.
Steckbrief: Persönliche Fragen an Christina Schimetta
Wo und wie tankst du Energie?
Beim Tanzen, bei tollen Gesprächen mit Freund*innen und Familie und oft einfach nur durch meine Lieblingssongs-Playlist.
Welches Buch liest du gerade?
Kompromisslos verhandeln (auch bekannt als Never Split the Difference) von Chris Voss
Welche App ist für dich unverzichtbar?
Die Kamera App - ich liebe es, mein turbulentes, buntes Leben mit der Kamera einzufangen
Es gibt keine Juristerei mehr - was machst du?
Da unsere Gesellschaft grundlegend anders aussähe, würde ich wahrscheinlich versuchen, den Leuten die Rechtsstaatlichkeit zu vermitteln und/oder mich für das Etablieren fairer Regeln einsetzen.
Dein Lebensmotto?
Make every day count - jeder Tag ist eine Chance, etwas zu erleben. Das Leben ist viel zu kurz, um die Zeit nicht zu nutzen, daher schaue ich, dass ich jeden Tag ein "Highlight" einbaue. Sei es ein warmes Wohlfühlbad, sei es ein Tee-Date mit einer Freundin oder ein besonderes Abendessen - jede Kleinigkeit kann den Tag ein Stückchen besser machen.
