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Mittwoch, 22.11.2023

Interview mit Dr. Katharina Schmid

Frau Dr. Katharina Schmid, Gründerin der IP-Boutique-Kanzlei schmid-ip in Wien, ist eine erfahrene Rechtsanwältin im Bereich des geistigen Eigentums und unlauteren Wettbewerbsrechts. Aufgrund Ihrer Tätigkeit und Erfolge bei der Verfolgung und Durchsetzung von Markenrechten und bei Rechtsstreitigkeiten hat sie in den letzten Jahren zahlreiche Auszeichnungen auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts erhalten.

Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den ein oder anderen Karrieretipp.


Wollten Sie schon immer Rechtsanwältin werden und eine eigene Kanzlei gründen?

Heute würde ich sagen, es ist schon meine Berufung, auch wenn ich mir diesbezüglich in den ersten Jahren keineswegs so sicher war, wie es vielleicht mein Lebenslauf vermuten ließe. Ich wollte eigentlich Publizistik und Politikwissenschaften studieren, was in meiner Heimatstadt Graz nicht angeboten wurde. Mein Vater war damals nicht bereit, mir ein Studium in Wien zu finanzieren (und es wäre auch finanziell eng gewesen) und so habe ich eine Studienrichtung in Graz gesucht, die mich anspricht. Nach kurzer Liebäugelei mit der Medizin (die mich nach wie vor brennend interessiert) und BWL (da war mir zu viel Mathematik dabei) ist es dann Jus geworden. Ich habe während meines Studiums zunächst viel gekellnert und im letzten Jahr in einer Anwaltskanzlei gearbeitet. Auch während meiner ersten Ausbildungsjahre war ich mir noch nicht ganz sicher, ob ich wirklich bei der Juristerei bleiben möchte, obwohl ich wirklich einen phantastischen Ausbildungsanwalt hatte, eigentlich zwei (Dr. Gunther Griss und Dr. Edwin Mächler aus Graz). Damals hat mich Consulting sehr angesprochen, wohl wegen der internationalen Tätigkeit.

Sie wurden auf dem Gebiet des Immaterialgüterrechts bereits vielfach ausgezeichnet. Wie kam es zu der Spezialisierung auf das Immaterialgüterrecht?

Durch die Beschäftigung mit meinem Dissertationsthema. Dabei ging es um Geschäftsverweigerung durch Immaterialgüterrechtsinhaber im Österreichischen und Europäischen Wettbewerbsrecht, also eigentlich um Zwangslizenzen. Ich habe mich aber auch ganz genau mit den historischen Wurzeln der einzelnen Immaterialgüterrechte von Patenten über Muster, Marken und dem Urheberrecht auseinandergesetzt. Dann wurde der Wunsch immer größer, mich in diesem Bereich zu spezialisieren. Die Spezialisierung konnte ich in Wien beginnen und als Markenanwältin in einer internationalen Anwaltskanzlei in Alicante fortsetzen. Das war eine wunderschöne, lehrreiche und spannende Zeit, die auch den Grundstein für mein berufliches Netzwerk gelegt hat. Ab da hatte ich auch keine Zweifel mehr an meiner Berufung. Schließlich war der Wunsch, nach Wien zurückzukehren, aber zu groß, und nach kurzer Suche habe ich mich für den Sprung in die Selbständigkeit entschieden und meine eigene Kanzlei in Wien gegründet.

Was raten Sie KonzipientInnen, welche Ihr Steckenpferd noch nicht gefunden haben?

Ich empfehle jedem Konzipienten, so lange zu suchen, bis ein Gebiet gefunden ist, das ihn oder sie begeistert (gegebenenfalls können das auch einige „komplementäre“ Rechtsgebiete sein). Nur so kann man sich wirklich in die Materie vertiefen und auch erfolgreich sein. Bei mir waren nie die Verdienstmöglichkeiten ausschlaggebend, sondern dass ich auf einem Gebiet arbeiten möchte, das mich täglich aufs Neue begeistert und fasziniert. Andererseits hat man es als Anwalt ohne echte Spezialisierung meiner Einschätzung nach zunehmend schwierig.

Wie gestaltet sich ein typischer Arbeitstag als Rechtsanwältin? Gibt es einen bestimmten Tagesablauf?

Eigentlich nein, außer dass man zu Beginn des Tages immer Gefahr läuft, sich mit Tätigkeit aufzuhalten, die dringend, aber nicht wichtig sind, oder überhaupt nicht dringend (lacht). Ich bin ein Abendmensch, insofern brauche ich Morgens immer eine kleine Aufwärmphase. Konzeptive Tätigkeiten, wie das Verfassen von Schriftsätzen und Verträgen, oder längeren rechtlichen Stellungnahmen, gelingen mir oft am besten in den Nachmittags- und frühen Abendstunden. Ansonsten können die Herausforderungen und Anforderungen sehr unterschiedlich sein. Was in meinem Arbeitsalltag regelmäßig vorkommt ist die Beantwortung von neuen Anfragen, die Betreuung von laufenden Verfahren, oder etwas die Durchführung von Recherchen und von Marken- und Designanmeldungen. Hinzu kommen natürlich zahlreiche Besprechungen per Videokonferenz und die Gerichtstermine.

Das Immaterialgüterrecht unterliegt durch den rasanten technologischen Fortschritt einem laufenden Wandel – wie schaffen Sie es einen Überblick über Neuerungen zu bewahren und inwiefern haben sich die Beratungsthemen in den letzten Jahren verändert?

Was den Wandel betrifft, gibt es natürlich laufend neue Entwicklungen. Der Einsatz von AI, NFTs (Anm: non financial tokens), die Blockchain, die digitale Transformation und das Metaverse sind in aller Munde. Im Immaterialgüterrecht und UWG sind die Rechtsentwicklungen sehr europarechtlich geprägt, es ändert sich ständig etwas, aber oft mit mehrjähriger Vorlaufzeit und nicht von heute auf morgen. Für manches wird es ganz neue Ansätze geben müssen, für vieles wird man aber bestehende Grundsätze heranziehen oder adaptieren können, z.B. für die Frage, ob jemand eine fremde Marke im Metaverse benutzen darf oder ein Urheberrecht verletzt. Mit fundiertem Fachwissen und etwas Logik und Hausverstand kommt man da oft recht weit. Um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben, besuche ich regelmäßig Seminare, Kongresse und Fortbildungsveranstaltungen. Auch der Austausch mit KollegInnen auf Konferenzen und über soziale Medien (wie z.B. LinkedIn), das Lesen und Verfassen von Fachpublikationen und fachspezifischen Blogs und Newslettern sind wichtige Informationsquellen bzw. helfen mir „Up-to-Date“ zu bleiben.

Was ärgert Sie am aktuellen Rechtssystem?

Ärgern wäre jetzt ein starkes Wort. Wir hätten natürlich alle gerne schnellere Entscheidungen, und würden gerne Gehör für den Standpunkt unserer Mandanten finden. Letztlich geht es aber schon um Gerechtigkeit. Ich sage „schon“, weil im Zivilverfahren ja der Verfahrensgegenstand auf das Parteivorbringen eingeschränkt ist. Es gibt anders als im anglo-amerikanischen Raum keine „absolute Wahrheitsfindungspflicht“ im Zivilverfahren und somit ist auch die Gerechtigkeit in gewisser Hinsicht „relativ“. Leider kommt es manchmal vor, dass in erster Instanz kein ausreichend umfassendes Beweisverfahren geführt und die Verantwortung an die zweite Instanz abgeschoben wird, weil die Parteien „ja eh in Berufung gehen“.  Eine als fair empfundene Entscheidung – gleich welcher Instanz – wird von den Parteien leichter akzeptiert. Ich denke aber, dass die Justiz in Österreich im internationalen Durchschnitt schon sehr gut dasteht. Auch die JuristInnen und SachbearbeiterInnen am Patentamt machen wirklich gute Arbeit.

Wie sehen sie die Zukunft der Rechtsbranche in Österreich?

Ich sehe insgesamt eine positive Zukunft für die Rechtsbranche in Österreich. Es wird sicher – weltweit und in Österreich – noch einige größere Veränderungen bis Umwälzungen geben. Bestimmte Tätigkeiten werden nicht mehr gefragt sein. Ich denke aber, dass es immer eine hohe Nachfrage nach persönlicher und qualitativ hochwertiger, vor allem strategischer Rechtsberatung geben wird, die auf die individuellen Bedürfnisse und Herausforderungen der Mandanten zugeschnitten ist. So gesehen mache ich mir um mich selbst keine Sorgen.

Haben Sie Tipps für Studienanfänger bzw. auch Berufsanwärter?

Mein erster Tipp ist, sich wirklich für das Recht zu interessieren und hart zu arbeiten. Es gibt keine Abkürzungen oder einfache Lösungen, um in der Rechtsbranche erfolgreich zu sein. Es erfordert harte Arbeit, Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, sich ständig weiterzubilden.

Mein zweiter Tipp ist, eine Spezialisierung zu finden und sich darin zu vertiefen. Ich denke, dass es wichtig ist, ein Experte auf einem bestimmten Gebiet zu sein, anstatt zu versuchen, alles zu wissen.

Und schließlich würde ich empfehlen, ein Netzwerk und gute Beziehungen aufzubauen, sich MentorInnen zu suchen. Die Rechtsbranche ist eine Beziehungsbranche, und es ist wichtig, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.

Wir bedanken uns für die spannenden Antworten, Insights und Tipps.

Steckbrief: Persönliche Fragen an Katharina Schmid

Wo und wie tanken Sie Energie?
In der freien Natur, beim Wandern, Klettersteigen, Skitourengehen und Alpinskifahren, und bei Gesprächen mit guten FreundInnen.

Welches Buch lesen Sie gerade?
„Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler.

Welche App ist für Sie unverzichtbar?
George Business 😉 Im Ernst, ziemlich viele, ich betrachte mich als „gelernte Digital Native“.

Was sind Ihre wichtigsten Werte?
Menschlichkeit und Gerechtigkeit, Empathievermögen, Verlässlichkeit und Genauigkeit und die Bereitschaft, für Mandanten und nahestehende Personen „die extra Meile“ zu gehen.

Ihr Lieblingszitat?
„As good as it gets” – das ist eigentlich ein Filmtitel und so herrlich humorvoll-doppeldeutig.