Die Juristin - Dr. Caroline Fischerlehner, LL.M. im Interview
Heute dürfen wir Rechtsanwältin Dr. Caroline Fischerlehner, LL.M. zum Interview begrüßen. Es erwarten dich Insights zu ihrem Werdegang, die Entscheidung Juridicum vs. WU Wien, die Konzipientenzeit und deren Ausbildungscharakter, wie man die Rechtsanwaltsprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg besteht und den Antrieb zur Gründung einer eigenen Kanzlei. Diese und weitere spannende Themen erwarten die Leser:innen im LawFinder Blog.
Im Rahmen unserer Interviewreihe „KarriereInsights“ bitten wir Persönlichkeiten der Juristenszene – von Berufseinsteigern bis Branchengrößen – um Einblicke in den eigenen Werdegang und den ein oder anderen Karrieretipp.
Wollten Sie schon immer Rechtsanwältin werden oder hatten Sie auch andere Berufsziele? Was ist das Beste an Ihrem Beruf?
Ganz ursprünglich kam ich nach Wien, weil ich Journalistin werden wollte. Das habe ich nach dem Publizistik-Studium-Besuch dann aber schnell wieder verworfen.
Der Rechtsanwaltsberuf kam für mich trotz des Wirtschaftsrechtsstudiums eher überraschend. Richterin und Notarin habe ich aufgrund diverser Praktika bereits während des Studiums ausgeschlossen.
Nach dem Studium wollte ich dann zu einem Venture Capitalist wechseln und habe im Bewerbungsprozess gemerkt, dass es für eine berufliche Karriere in der Privatwirtschaft sinnvoll ist, die RAP zu absolvieren. Aus diesem Grund habe ich dann die Ausbildung als Rechtsanwaltsanwärterin begonnen. Während dieser wurde dann offensichtlich, dass der Beruf Rechtsanwältin nicht nur gut zu mir passt, sondern auch viel mit meiner Leidenschaft – dem Schreiben und Reden – zu tun hat.
Die Möglichkeit für andere Menschen Dinge zu beleuchten bzw zu „sehen“, die sie nicht sehen können, ist für mich das Beste. Soll heißen: Komplexe Rechtsprobleme transparent machen und so herunterzubrechen, dass auch Nichtjuristen das Problem und die Lösung nachvollziehen können.
Viele Studienanfänger:innen stehen vor der Entscheidung Juridicum vs. WU Wien – welche Vor- oder Nachteile sind Ihrer Meinung nach mit den beiden Universitäten verbunden?
Ich habe ja nie am Juridicum studiert, also ist dies nur eine Einschätzung „aus der Ferne“, und auch nur retrospektiv, mein Studium liegt ja nun auch schon etwas zurück: Mir haben an der WU die Nähe zu den Vortragenden, die breite wirtschaftliche Ausbildung und die getrennten Lehrveranstaltungen (also keine großen Blockprüfungen mehrerer Rechtsbereiche) sehr zugesagt. Andererseits habe ich den einen oder anderen neidvollen Blick zum Schottentor geworfen, weil es dort ein breites Angebot an Wahlfächern (die tlw auch sehr außergewöhnlich sind), gab. Letztlich sollte man sich vorab die unterschiedlichen Studienmodi ansehen und für sich entscheiden, wofür man eher der Typ ist. Ich habe das genauso gemacht und mich – auch aufgrund meiner Oberstufenausbildung in einer HAK – sehr eindeutig für die WU entschieden.
Die Konzipientenzeit – von der Rechtsanwaltsanwärterin zur Rechtsanwältin – beinhaltet einen gewissen Ausbildungscharakter. Welche Erfahrungen haben Sie während Ihrer Konzipientenzeit gemacht und wie handhaben Sie das Thema als Arbeitgeberin?
Das Thema Ausbildung liegt mir persönlich sehr am Herzen. Einerseits, weil ich auch an der WU immer gerne als Lehrende und Vortragende unterrichtet habe und andererseits, da es in der Praxis leider oftmals stiefmütterlich behandelt wird und letztlich sehr von der/dem Vorgesetzten abhängt. Mir war es während meiner Ausbildung wichtig, Role Models zu finden, die mich unterstützen und mich beruflich weiterbringen, nunmehr ist es mein Ziel, meinen Mitarbeiter:innen und Studierenden möglichst viel an Erfahrung und Ausbildung auf ihrem Weg mitzugeben.
Rechtsanwaltsprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg – welche Geheimtipps können Sie mit uns teilen?
Praxiswissen sammeln! Ich würde schätzen, dass ca 60-70% der Fragen, die mir gestellt wurden, kein stures Abprüfen der gelernten Walzen & Unterlagen war, sondern letztlich Wissen, das ich mir in der Praxis angeeignet habe (auf all meinen Stationen). Insofern: Es ist eine Praxisprüfung, die von Praktikern abgenommen wird: wer dort punkten möchte, sollte versuchen, eine möglichst breite Ausbildung zu erhalten, um viel Praxiserfahrung zu sammeln.
Sie haben unterschiedliche Kanzleien als Rechtsanwaltsanwärterin kennengelernt. Was waren Ihre Beweggründe bzw. Ihre Motivation zur Gründung Ihrer eigenen Kanzlei?
Ich tue mir im Angestelltenverhältnis nicht so leicht, da ich immer schon meinen eigenen Weg gehen wollte und gegangen bin. :-)
Ich habe keine Kanzlei gefunden, die zu meinen Vorstellungen passt, da war es für mich relativ rasch klar, dass ich eine eigene Kanzlei gründen werde.
Ich komme aus einer Unternehmerfamilie, kenne also den Spirit und den Workload, die Vorzüge und Nachteile, auch das waren Beweggründe für die Gründung der eigenen Kanzlei.
Auf welche Fachgebiete sind Sie spezialisiert und wie kam es zu Ihren Spezialisierungen?
Gesellschafts- und Unternehmensrecht: Ergab sich durch meine vorherige Ausbildung und auch Dissertation in diesem Bereich.
Immobilienrecht: Ergab sich einerseits durch persönliches Interesse (insb Bauprozesse) und andererseits meiner Ausbildung in diesem Bereich.
Was ärgert Sie am aktuellen Rechtssystem?
Was ich als unfair empfinde, sind Personen, die das Rechtssystem ausnützen und das auch können. Beispielsweise: eine Mietzins- und Räumungsklage kann nicht zugestellt werden, weil die Person ihren Briefkasten nicht entleert, sie zahlt aber auch keine Miete. Sie hat weiters keinen Hauptmeldesitz gemeldet, insofern ist ein Kurator zu bestellen. Da die reine Zustellung nicht ausreichen wird (Räumung), muss ein Abwesenheits- bzw Prozesskurator bestellt werden. Das alles kostet Geld und Zeit. Dinge, die der/die Kläger:in aufbringen und zumindest vorstrecken (häufig aber auch endgültig tragen) muss. Das empfinde ich als praktisch unfair, da die Kopf-in-den-Sand-steck-Strategie normalerweise nicht funktionieren sollte und jemand nur „länger davonkommt“, weil er nicht nach den Regeln spielt. Alle anderen, die brav gemeldet sind und die ihre Post beheben wären schon längst geräumt worden.
Haben Sie generelle Tipps für Studienanfänger:innen bzw. auch Berufsanwärter:innen?
Für alle Studien gilt meiner Meinung nach: Beginnen Sie Ihr Studium nicht, weil andere es auch studieren, Familienmitglieder es studiert haben oder weil die Uni so cool ist etc. Auch Ihre Zeit ist wertvoll und Sie können diese trial&error-Zeit auch für Spannenderes verwenden (zB um die Welt zu bereisen oder sozial tätig zu werden). Wenn Sie sich für ein Studium entscheiden (das ich absolut nicht als das Nonplusultra einschätze), dann sollte es etwas sein, für das Sie wirklich brennen.
Für Berufsanwärter:innen gilt im Wesentlichen dasselbe: Beginnen Sie eine Ausbildung nicht aufgrund Mangel von Alternativen. Beginnen Sie diese nur, wenn Sie sich künftig auch in diesem Job sehen können.
Wir bedanken uns für die spannenden Antworten und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.