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Montag, 05.02.2024

Das Amtsgeheimnis wird abgeschafft und mit dem Informationsfreiheitsgesetz ersetzt

Wesentiche Key Facts zum Informationsfreiheitsgesetz

  • Aufzählungszeichen

    Die Bevölkerung bekommt das Recht auf Infos vom Staat

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    Öffentliche Stellen müssen Informationen von "allgemeinem Interesse" von sich aus zugänglich machen. Beispielsweise auch Gutachten und Studien. (Ausgenommen sind kleine Gemeinden)

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    Informationen darüber hinaus können angefragt werden. Die zuständige Stelle muss grundsätzlich innerhalb von vier Wochen Auskunft geben.

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    Wird der Zugang auf Information nicht gewährt, kann man vor Gericht ziehen.

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    Manche Informationen unterliegen weiter der Geheimhaltung. Etwa wenn diese im Interesse der nationalen Sicherheit stehen, missbraucht werden oder personenbezogene Daten betreffen.

Nationalrat beschließt Aus für Amtsgeheimnis sowie neues Recht auf Information

Zustimmung von ÖVP, SPÖ und Grünen sichert Gesetzespaket notwendige Zweidrittelmehrheit

Wien (PK) – Ab September 2025 wird es auch in Österreich ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Information gegenüber dem Staat geben. Außerdem werden öffentliche Stellen deutlich mehr Informationen von sich aus veröffentlichen müssen, als das derzeit der Fall ist. Der Nationalrat hat heute Abend mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit grünes Licht für eine entsprechende Verfassungsnovelle und ein begleitendes Informationsfreiheitsgesetz gegeben. Neben den Koalitionsparteien stimmte wie erwartet auch die SPÖ für das lange verhandelte Gesetzespaket. Inhaltliche Änderungen am vom Verfassungsausschuss empfohlenen Entwurf nahmen die Abgeordneten nicht mehr vor, eine Bestimmung wurde kurzfristig jedoch noch sprachlich überarbeitet und ein redaktioneller Fehler beseitigt. Das letzte Wort hat nun der Bundesrat, auch dort ist für das Paket eine Zweidrittelmehrheit nötig.

Gegen die im Verfassungsausschuss in einigen Punkten nachgeschärfte Regierungsvorlage stimmten FPÖ und NEOS. Sie kritisierten unter anderem die vorgesehene Ausnahmeregelung für Gemeinden unter 5.000 Einwohner:innen, was die proaktive Informationspflicht betrifft. Damit würden Bürger:innen zweiter Klasse geschaffen, beklagte etwa FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger warnte vor "Dunkeldörfern". Zudem befürchten die NEOS, dass das Informationsfreiheitsgesetz durch einfache Bundes- und Landesgesetze ausgehebelt werden könnte.

Von einem "Meilenstein" und einem "historischen Moment" sprachen hingegen ÖVP, SPÖ und Grüne. 1925 sei die Amtsverschwiegenheit in die Verfassung geschrieben worden, 100 Jahre später werde sie nun wieder gestrichen, machte etwa ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl geltend. "Es ist jetzt Schluss mit Geheimniskrämerei", sekundierte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer. Für die SPÖ ist das Gesetz zwar "nicht perfekt", nach Meinung von Verfassungssprecher Jörg Leichtfried wurde letztendlich aber "ein guter Kompromiss" gefunden. "Wir lassen uns den Erfolg nicht nehmen und nicht kleinreden", hielt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler gegenüber den Kritiker:innen fest.

Informationsfreiheit statt Amtsgeheimnis

Mit dem Gesetzespaket werden öffentliche Stellen künftig verpflichtet, Informationen von allgemeinem Interesse wie in Auftrag gegebene Gutachten, Studien und Verträge von sich aus zu veröffentlichen und über ein zentrales Informationsregister zugänglich zu machen. Ausnahmen von dieser proaktiven Informationspflicht sind nur für Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohner:innen vorgesehen. Auch kleine Gemeinden werden individuelle Anfragen von Bürger:innen und Journalist:innen aber, so wie alle anderen Verwaltungsstellen, grundsätzlich innerhalb von vier Wochen – mit einer möglichen Fristerstreckung um weitere vier Wochen – beantworten müssen. Die Amtsverschwiegenheit wird endgültig aus der Verfassung gestrichen, Bürger:innen ein Informationsrecht gegenüber dem Staat eingeräumt. Ebenso müssen staatsnahe Unternehmen, Stiftungen und Fonds sowie gesetzliche Interessenvertretungen künftig mehr Transparenz walten lassen.

Auskünfte werden weiterhin etwa dann verweigert werden können, wenn die öffentliche Sicherheit durch die Informationserteilung in Gefahr geraten könnte, ein erheblicher finanzieller Schaden droht, eine Entscheidung erst in Vorbereitung ist oder Interessen Dritter schwerer wiegen als das öffentliche Informationsinteresse. Auch extrem zeitraubende und offensichtlich mutwillige Anfragen müssen nicht beantwortet werden. Für staatsnahe Unternehmen und Interessenvertretungen sind überdies weitere einschränkende Sonderbestimmungen vorgesehen.

Ergänzend zum Gesetzespaket nahmen die Abgeordneten eine vom Verfassungsausschuss empfohlene Entschließung an. Sie sieht eine Evaluierung der Folgekosten des Gesetzespakets zwei Jahre nach Inkrafttreten vor. Ein weitergehender Gesetzesantrag der NEOS für ein Informationsfreiheitsgesetz blieb hingegen in der Minderheit. Er hatte unter anderem die Einrichtung eines unabhängigen Informationsbeauftragten als Anlaufstelle für Bürger:innen und eine Verkürzung der Frist für die Beantwortung von Auskunftsbegehren von vier auf zwei Wochen zum Inhalt.

FPÖ ortet einige Mängel im Gesetz

FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan begründete die Ablehnung des Gesetzes durch die FPÖ vor allem damit, dass Gemeinden unter 5.000 Einwohner:innen von der proaktiven Informationspflicht ausgenommen sind. Damit würden Bürger:innen zweiter Klasse geschaffen und 40 % der Bevölkerung ausgeschlossen, kritisierte er. Zudem komme es zu einer Verschlechterung gegenüber dem Status quo: Schon jetzt müssten öffentlich finanzierte Studien, Gutachten und Umfragen veröffentlicht werden, das werde für kleine Gemeinden nun abgeschafft. Besser wäre es nach Meinung von Stefan gewesen, die Gemeinden bei der Umsetzung der Vorgaben zu unterstützen.

Weitere Bedenken äußerte Stefans Fraktionskollege Werner Herbert. Er befürchtet, dass es "den einen oder anderen Gang vor Gericht" benötigen wird, um den Schutz persönlicher Daten und weiterer Rechte Dritter zu gewährleisten. Seiner Meinung nach werden die Gemeinden außerdem alleingelassen.

NEOS warnen vor "Dunkeldörfern"

Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak halten wenig von der Ausnahmeregelung für Gemeinden unter 5.000 Einwohner:innen. Damit würden Menschen in ländlichen Regionen grundlos schlechter gestellt als Menschen im urbanen Raum, beklagte Meinl-Reisinger und warnte vor "Dunkeldörfern". Dass auch kleine Gemeinden grundsätzlich auskunftspflichtig sind, ist für Scherak nur ein schwacher Trost: "Herr und Frau Müller" müssten ihm zufolge juristisch schon sehr gut informiert sein, um zu wissen, dass sie im Falle einer Auskunftsverweigerung einen Bescheid anfordern können, den sie dann auch noch beim zuständigen Verwaltungsgericht beeinspruchen müssen. Zumal es noch dazu keinen Informationsfreiheitsbeauftragten zur Unterstützung der Bürger:innen gebe.

Scherak und Meinl-Reisinger halten es darüber hinaus für problematisch, dass für das Informationsfreiheitsgesetz ein Anwendungsnachrang gegenüber besonderen Landes- und Bundesgesetzen gilt. Damit wäre so etwas wie die COFAG weiterhin möglich, hielt Meinl-Reisinger fest. Mit einem einfachen Gesetz könnte das Recht auf Informationsfreiheit eingeschränkt werden. Auch dass Kammern nur ihren Mitgliedern Rechenschaft schuldig sind und jede künftige Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes der Zustimmung aller neun Bundesländer bedarf, ist den NEOS ein Dorn im Auge. Es habe die Chance gegeben, "etwas wirklich Großartiges" zu schaffen, sagte Meinl-Reisinger, diese sei aber vertan worden.

ÖVP und Grüne sprechen von "historischem Schritt" und "Meilenstein"

ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl sprach hingegen von einem historischen Schritt. Mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses und der Einführung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Information leite man einen Paradigmenwechsel ein, gab er zu bedenken. Nach rund 100 Jahren würde die Amtsverschwiegenheit aus der Verfassung gestrichen und durch Transparenz ersetzt. Österreich spiele damit nun in der "Champions League", stehe das Recht auf Information künftig doch in einer Reihe mit anderen Grundrechten. Umgesetzt werde das Ganze "mit Maß und Ziel", versicherte Gerstl: Der Staat werde gläsern, nicht die Bürger:innen. Die Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes werde man für Schulungen und Informationen nutzen.

Auch Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer und ihre Parteikollegin Agnes Sirkka Prammer äußerten sich erfreut über den Beschluss. Für Maurer ist das Gesetzespaket ein "Meilenstein", das "verstaubte Amtsgeheimnis" sei damit Geschichte. "Es ist jetzt Schluss mit Geheimniskrämerei", hielt sie fest. Bürger:innen, die Auskünfte wollten, seien künftig nicht mehr Bittsteller:innen, sondern könnten sich auf ein Gesetz berufen.

Transparenz sei zudem wichtig, um Korruption zu verhindern und Korruptionsfälle aufzudecken, sagte Maurer. Auch sei ein Grundrecht auf Information ein essenzieller Baustein für eine moderne öffentliche Verwaltung und für eine moderne Demokratie. Maurer zufolge haben viele Seiten viel Energie hineingesteckt, um das Gesetz zu verhindern, die Hartnäckigkeit von Journalist:innen, NGOs und Politiker:innen hätte sich letztlich aber ausgezahlt.

In Richtung der NEOS hielt Prammer fest, es stimme nicht, dass das neue Grundrecht auf Information durch einfache Gesetze "overrult" werden könne. Zudem bezweifelt sie, dass es den NEOS gelungen wäre, ein besseres Gesetz zustande zu bringen, das eine Mehrheit gefunden hätte. Auch die Grünen hätten viele Dinge gerne anders gemacht, sagte Prammer, man habe – nach "harten Gesprächen" – letztendlich aber eine Lösung gefunden, mit der alle leben könnten, auch die Länder und die Gemeinden. Ausdrückliches Lob äußerte sie in diesem Zusammenhang für Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die "das durchgekämpft hat". Regieren heiße Lösungen finden, betonte auch Michaela Steinacker (ÖVP).

SPÖ: Gesetz ist nicht perfekt, aber ein guter Kompromiss

Als nicht perfekt, aber guten Kompromiss werteten SPÖ-Verfassungssprecher Jörg Leichtfried und seine Fraktionskollegin Selma Yildirim das Gesetzespaket. Dieses sei angesichts des schlechten Abschneidens Österreichs in diversen Transparenz-Rankings längst überfällig, bekräftigten sie. Die SPÖ versuche das Thema Informationsfreiheit schon seit Jahren voranzutreiben, betonte Leichtfried, mit dem heutigen Beschluss würde eine elfjährige Diskussion "zu einem guten Ende gebracht". Das Grundprinzip der Amtsverschwiegenheit werde vom Grundprinzip der Informationsfreiheit abgelöst.

Yildirim hofft, dass das Informationsfreiheitsgesetz auch einen Beitrag dazu leisten wird, um das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der Politik und der Verwaltung zu verringern. "Freunderlwirtschaft" und "Zudeckermentalität" gehörten abgeschafft, mahnte sie. Diese würden den Rechtsstaat "vergiften". Die SPÖ werde sich aber "sehr genau anschauen", wie das Gesetz umgesetzt wird, sagte die Abgeordnete.

Ihre Parteikolleg:innen Christian Drobits und Sabine Schatz zeigten sich erfreut, dass die SPÖ unter anderem eine Erweiterung des parlamentarischen Interpellationsrechts durchsetzen konnte. Damit werde es für Regierungsmitglieder künftig schwieriger sein, die Antwort auf schriftliche Anfragen von Abgeordneten zu verweigern. Auch der Datenschutz wurde nach Meinung von Drobits "sauber gelöst". Zwei bereits im November 2019 vorgelegte Anträge der SPÖ gelten mit dem heutigen Gesetzesbeschluss als miterledigt.

Edtstadler: Transparenz wird die Regel, Geheimhaltung die Ausnahme

"Wir lassen uns den Erfolg nicht nehmen und nicht kleinreden", hielt Verfassungsministerin Karoline Edtstadler gegenüber den Kritiker:innen fest. Es sei "ein historischer Moment", erklärte sie, der moderne Staat sei jetzt da. Immer und immer wieder habe man versprochen, das Amtsgeheimnis abzuschaffen, umgesetzt werde das Vorhaben aber erst jetzt. "Wir drehen das System um 180 Grad", künftig sei Transparenz die Regel und Geheimhaltung die Ausnahme, betonte Edtstadler.

Es sei ihr aber auch ein Anliegen gewesen, die Verwaltung handlungsfähig zu halten, hielt Edtstadler fest. Man wolle kleine Gemeinden nicht überfordern. Diese könnten Informationen von allgemeinem Interesse aber freiwillig veröffentlichen, wenn sie sich Antworten auf Einzelanfragen ersparen wollten. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes ist laut Edtstadler noch einiges zu tun: Nicht nur müssten Leitfäden erstellt und Schulungen durchgeführt werden, auch gelte es andere Gesetzesmaterien, in denen der Begriff Amtsverschwiegenheit vorkommt, wie etwa das Strafgesetzbuch und das Beamten-Dienstrecht an die neue Rechtslage anzupassen. (Fortsetzung Nationalrat) gs

Quelle: www.parlament.gv.at und Zeit im Bild