Mit dem heutigen Tag treten in der Praxis enorm relevante Regelungen der WEG-Novelle 2022 in Kraft. Konkret betrifft dies (i) die erleichterte Willensbildung bei Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft sowie (ii) die Mindestdotierung der Rücklage.
Erleichterte Willensbildung bei der Beschlussfassung
Bisher war für einen wirksamen Beschluss die Mehrheit von 50% aller Miteigentumsanteile notwendig. In der Praxis scheiterte die Beschlussfassung daher häufig, weil viele Wohnungseigentümer nicht an den Abstimmungen teilnahmen. Mit der neuen Gesetzgebung soll die Entscheidungsfindung erleichtert werden. Für die Mehrheit der Stimmen der Wohnungseigentümer ist nunmehr – wie bisher – entweder die Mehrheit aller Miteigentumsanteile oder – und das ist neu – eine 2/3-Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, wobei die erforderliche 2/3-Mehrheit ebenfalls nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile berechnet wird. Diese 2/3-Mehrheit muss darüber hinaus zumindest 1/3 aller Miteigentumsanteile erreichen.
Beispiel: Ein Mehrparteienhaus steht im Eigentum mehrerer Wohnungseigentümer mit insgesamt 100 Miteigentumsanteilen. Zur Eigentümerversammlung erscheinen Wohnungseigentümer, deren Miteigentumsanteile zusammen 45 Miteigentumsanteile ausmachen. Die anwesenden Wohnungseigentümer fassen einen Beschluss, wobei Wohnungseigentümer, deren Anteile zusammen 39 Miteigentumsanteile erreichen, für die Annahme des Beschlusses stimmen.
Bisher wäre dieser Beschluss aufgrund des Unterschreitens der 50%-Marke nicht zustande gekommen. Ab nun gilt anderes: Von den anwesenden 45 Miteigentumsanteilen haben 39 für die Annahme des Beschlusses gestimmt, wodurch sich eine Mehrheit von über 86 % ergibt. Die erforderliche 2/3-Mehrheit wurde also erreicht. Da die erreichte Mehrheit 39 % aller Miteigentumsanteile ausmacht, ist auch dem Erfordernis der 1/3-Mehrheit sämtlicher Miteigentümer Genüge getan. Im vorliegenden Fall liegt daher eine wirksame Beschlussfassung vor.
Mindestdotierung der Rücklage
Bei der von den Wohnungseigentümern zu leistenden Rücklage ist wie bisher auf die voraussichtliche Entwicklung der Aufwendungen Bedacht zu nehmen. Explizit im Gesetzestext aufgenommen wurden künftige Aufwendungen zur thermischen Sanierung oder energietechnischen Verbesserung des Gebäudes.
Von heute an ist eine Mindestrücklage zu bilden, die EUR 0,90 pro m² Nutzfläche und Monat beträgt. Diese darf nur ausnahmsweise unterschritten werden. Nämlich dann, wenn (i) entweder die bereits vorhandene Rücklage ein besonderes Ausmaß aufweist, (ii) die Neuerrichtung des Gebäudes erst kurz zurückliegt oder (iii) kürzlich eine durchgreifende Sanierung des Gebäudes stattgefunden hat. Auch bei Reihen- oder Einzelhausanlagen kann die Mindestrücklage unterschritten werden, wenn die Wohnungseigentümer bereits aufgrund des Wohnungseigentumsvertrags verpflichtet sind, die Kosten für die Erhaltung ihres Reihen- oder Einzelhauses selbst zu tragen.
Hinter dieser Maßnahme steckt das (vor allem klimapolitische) Kalkül, dass Eigentümergemeinschaften eher zu sinnvollen Sanierungsmaßnahmen bereit sind, wenn die Rücklage entsprechend dotiert ist und bei Setzung einer Maßnahme für die Wohnungseigentümer keine zusätzlichen Einmalzahlungen hinzukommen.
Für sämtliche sich daraus ergebenden Fragen stehen bei uns Benedikt Stockert und Oliver Leitner gerne zur Verfügung.
Gastbeitrag von FSM Rechtsanwälte
Autoren: Rechtsanwalt Benedikt Stockert und Rechtsanwaltsanwärter Oliver Leitner